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Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters

Titel: Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihr so, wie es war. Sie liebte ihre Tante über alles, denn Kassandra war die stärkste und verrückteste Frau, die ihr je begegnet war.
    Umso mehr erschreckte es Kyra, dass ihre Tante derart entsetzt auf ihre Erzählung von der Frau mit dem Fisch reagierte.
    »Hört zu«, sagte Tante Kassandra und blickte ernst von einem Kind zum anderen. »Ich kann euch nicht hier im Haus einsperren. Ich glaube nicht einmal, dass ihr hier bei mir sicher sein würdet. Nein, ganz bestimmt nicht. Aber ihr müsst mir versprechen, dass ihr euch von dieser Frau fern haltet. Und wenn ihr sie noch einmal seht – egal, wer von euch und wo und wann –, dann kommt schnell her und erzählt es mir.«
    »Und dann?«, fragte Kyra neugierig. »Hast du sie schon mal gesehen?«
    »Und dann … dann …«, stammelte ihre Tante, »nun, dann werden wir uns gemeinsam etwas einfallen lassen. Einverstanden?«
    »Das klingt ja, als würdest du diese Frau kennen«, stellte Kyra argwöhnisch fest.
    »Ich? Oh nein. Ich kenne sie nicht, und darüber bin ich verdammt froh, das dürft ihr mir glauben. Aber ich weiß ein wenig über sie und ihresgleichen – und das reicht, um mir eine Heidenangst zu machen.«
    Kyra wollte weitere Fragen stellen, aber Tante Kassandra wehrte sie mit einem heftigen Kopfschütteln ab.
    »Kein Wort mehr darüber«, sagte sie. »Man kann den Teufel auch heraufbeschwören, wenn man ihn nur beim Namen nennt.«
    »Den Teufel?«, fragte Lisa. Auch sie war sehr blass geworden.
    »Das war bildlich gesprochen«, wies ihr Bruder sie altklug zurecht.
    Tante Kassandra schaute die Freunde nachdenklich an, einen nach dem anderen, dann drehte sie sich um und verschwand im Hinterzimmer des Ladens.
    Kyra strich sich eine dunkelrote Strähne aus dem Gesicht, dann wechselten sie und die anderen verwunderte Blicke.
    Den Teufel heraufbeschwören.
    Kyra traf eine Entscheidung.
      
       
      
    Auf dem Friedhof
    Am Abend schlich Kyra sich aus dem Haus, um Nils und Lisa zu treffen. Sie konnte sich nicht erinnern, sich schon einmal heimlich davongestohlen zu haben – bisher war das nie nötig gewesen. Aber Tante Kassandra hatte so ernst geklungen, und wenn Erwachsene ernst klangen, dann bedeutete das meistens, dass eine ganze Menge Spaß auf dem Spiel stand. Vorausgesetzt, man gehorchte ihnen.
    Giebelstein war von einer Stadtmauer umgeben, die noch aus dem Mittelalter stammte. Im Norden und Süden gab es je ein Tor, von hohen Türmen flankiert, mit Zinnen und Wehrgängen. Vor vielen Jahrhunderten waren hier Wächter mit Lanzen und Schwertern patrouilliert. Heute aber lagen die Zinnen verlassen da. Die hölzernen Treppen, über die einstmals die Krieger auf ihre Posten gestiegen waren, waren entweder abgerissen oder verbarrikadiert worden.
    Das Haus, in dem Kyra und Tante Kassandra lebten, und in dessen Erdgeschoss sich der Teeladen befand, grenzte gleich an das nördliche Stadttor. Wenn man von Kyras Zimmerfenster aus hinaus aufs Dach kletterte, konnte man eine Schießscharte erreichen, die in einen der Türme des Tors führte. Von unten gab es keinen Zutritt, nur über diesen Geheimweg konnte man in den Turm gelangen.
    Kyra hatte erst erwogen, von dort oben Ausschau nach der Frau und ihrem Fliegenden Fisch zu halten, hatte es sich dann aber doch anders überlegt. Die Chancen, sie wieder zu finden, waren draußen auf den Feldern sicherlich größer – zumal sie jetzt zu dritt waren.
    »Sollen wir das wirklich tun?«, flüsterte Lisa, als sie unter dem Stadttor hindurchliefen und sich von der Straße in die Wiesen schlugen. »Ich meine, deine Tante hat vielleicht Recht. Was, wenn es wirklich gefährlich ist?«
    »Klar ist es gefährlich«, gab Nils zurück. »Das ist doch gerade das Tolle dabei.«
    Nils war oft ein wenig übermütig. Manchmal verwechselte er Tapferkeit mit Leichtsinn, etwa als er einmal auf das morsche Wasserrad der Talmühle geklettert war. Das Rad hatte sich plötzlich in Bewegung gesetzt und ihn beinahe unter sich begraben. Kyra und Lisa hatten ihn gerade noch an den Armen aus dem Wasser ziehen können.
    Hin und wieder aber war es auch ganz gut, jemanden wie ihn dabei zu haben. In all seiner Unvernunft hatte Nils manchmal Einfälle, auf die kein anderer gekommen wäre. Nicht selten waren die Spiele, die er vorschlug, die spannendsten. Einmal hatten sie auf seine Idee hin versucht, Giebelsteins Leichenbestatter, Herrn Schwar z dorn, als Vampir zu überführen. Aussehen tat er schließlich wie einer. Allerdings hatte er den Eimer mit

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