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Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Titel: Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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tut.«
    »Danach hat sie aber gar nicht ausgesehen«, wandte Nils ein.
    Lisa nickte. »Wir müssen hinterher.«
    »Kyra hat gesagt, sie will allein gehen«, sagte Chris. »Ich glaube, dabei hat sie sich was gedacht.«
    Nils schnaubte verächtlich – was bei ihm meist ein Zeichen von Hilflosigkeit war. Wenn er nicht mehr weiterwusste, verfiel er oft in Streitlust. Doch diesmal verzichtete er darauf, ein Wortgeplänkel vom Zaun zu brechen. Dazu war die Lage zu ernst.
    Die Hexe stand wie erstarrt in der Mitte der Bühne, ein finsterer Umriss vor den noch dunkleren Vorhängen, die im Hintergrund wehten. Ihr Haar wirbelte schwarz um den hellen Stecknadelkopf ihres Gesichts. Ob ihre Augen auf Kyra gerichtet waren oder ob sie die drei Freunde ansah, ließ sich aus der Ferne nicht erkennen.
    Lisa erinnerte sich schaudernd, wie sie und hunderte anderer dieser Frau noch vor wenigen Stunden zugejubelt hatten. Sie alle waren, ohne es zu ahnen, zu Teilnehmern eines schrecklichen Rituals geworden. Lisa zweifelte nicht mehr daran, dass es der Auftritt der Hexe beim Konzert gewesen war, der den Mann im Mond herbeigerufen hatte. Das Ganze war nichts anderes gewesen als die moderne Variante einer uralten Beschwörungszeremonie.
    Ja, dachte sie, wir alle tragen einen Teil der Schuld an dem, was geschehen ist – und noch geschehen wird.
    Der Gedanke machte ihr zu schaffen, aber er lenkte sie auch einen Augenblick lang von der Gefahr ab, in der sie und ihre Freunde schwebten.
    Ohne eine Regung blickte die Hexe Kyra entgegen. Sie wartete.
    Wartete, dass Kyra vor sie trat.
    Aber Kyra war noch weit genug Herrin ihrer Sinne, dass sie nicht näher als zehn Schritte an die Hexe heranging. In respektvollem Abstand blieb sie vor der Bühne stehen. Ihre Augen suchten die der Frau, und ihrer beider Blicke verbissen sich ineinander wie Kampfhunde in einer Arena.
    Keine von beiden sprach. Nicht die Hexe, nicht das Mädchen. Stattdessen taxierten sie einander, suchten nach Schwächen ihres Gegenübers.
    Schließlich ergriff Kyra das Wort.
    »Was willst du von uns?«, fragte sie leise. Sie wusste, dass die Frau sie auch dann verstanden hätte, wenn sie die Frage nur stumm mit den Lippen geformt hätte.
    Die Hexe bewegte sich. Doch statt die Arme emporzureißen und kryptische Formeln zu murmeln, wie man es von einer wie ihr erwartet hätte, legte sie nur für einen Moment den Kopf schräg. Dann ließ sie sich im Schneidersitz am Bühnenrand nieder. Dabei lächelte sie, verspielt wie ein kleines Mädchen. Sie sah sehr unschuldig aus, beinahe hilflos.

»Was ich von euch will?«, sagte sie leise. »Euch töten. Dich töten. Genau wie deine Mutter.« Sie hatte eine schöne Stimme, und Kyra konnte sich vorstellen, wie herrlich es klingen musste, wenn sie sang. Kein Wunder, dass das Publikum begeistert gewesen war.
    »Wer schickt dich?«, fragte Kyra. »Die Drei Mütter?«
    Die Drei Mütter waren die Herrscherinnen des Arkanums, die schwarzen Göttinnen des Hexenzirkels. Niemand kannte sie, keiner hatte sie je mit eigenen Augen gesehen. Ihre Macht jedoch war allgegenwärtig. Es gab keine Hexe auf der ganzen Welt, die bei ihren Namen nicht vor Ehrfurcht erzitterte.
    Mater Tenebrarum. Mater Suspiriorum. Mater Lacrimarum.
    Die Mutter der Finsternis. Die Mutter der Seufzer. Die Mutter der Tränen.
    »Die Mütter wissen, dass ich hier bin«, sagte die Hexe. »So, wie sie alles wissen. Aber sie haben mich nicht gesandt. Mach nicht den Fehler, deine Bedeutung zu überschätzen, Kyra Rabenson. Du bist nichts. Nur ein Kind.«
    »Ich bin eine Trägerin der Sieben Siegel.«
    Die Hexe nickte bedächtig. »Genau wie deine Freunde. Vier Kinder, jedes mit sieben Siegeln. Macht insgesamt achtundzwanzig Siegel. Und genauso viele Tode werdet ihr sterben, wenn ihr nicht ewigen Gehorsam schwört.«
    Gehorsam?, durchfuhr es Kyra erstaunt. Dann wollte das Arkanum sie gar nicht um jeden Preis töten? Aber welchen Vorteil versprachen sich die Hexen davon, die Träger der Siegel auf ihrer Seite zu wissen?
    Verbarg sich hinter den magischen Malen vielleicht eine größere Macht, als Kyra bisher angenommen hatte?
    Hatten die Hexen gar einen Grund, sie und die anderen zu fürchten?
    »Ihr wollt, dass wir uns euch anschließen?«, fragte Kyra zweifelnd.
    Die Hexe lächelte noch immer. »Nur du, Kyra Rabenson. Deine Freunde sind unwichtig.« Und dabei hob sie lässig die rechte Hand, als wollte sie damit ein unsichtbares Wurfgeschoss auf die drei anderen schleudern.
    »Nein!«,

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