Sieben Siegel 05 - Schattenengel
noch im Gepäck unter meinem Sitz.« Als die Maschine abzustürzen drohte, hatte er den Rucksack an sich gepresst, als hinge ihrer aller Leben davon ab. Nur deshalb war das Haupt von Lachis nicht quer durch die ganze Kabine geschleudert worden und hatte irgendwem den Schädel eingeschlagen.
»Wir müssen es da rausholen«, sagte Kyra entschieden. Als ihr Vater widersprechen wollte, setzte sie lauter hinzu: »Und wir müssen es so weit wie möglich von den anderen Leuten wegbringen.«
»Und am besten auch von uns selbst«, ergänzte Nils übellaunig.
Der Professor starrte sie der Reihe nach an und sah die Entschlossenheit in ihren Augen.
»Okay«, sagte er leise, »ihr erklärt mir jetzt bitte erst mal, was das alles soll. Einverstanden?«
»Auf dem Weg zum Flugzeug«, erwiderte Kyra und lief ungeduldig los. Die drei anderen folgten ihr, schließlich auch ihr Vater. Mit ein paar hastigen Schritten holte er auf.
»Also?«, sagte er.
Kyra holte tief Luft, dann erzählte sie ihm alles. Die anderen unterstützten sie nach Leibeskräften durch heftige Einwürfe und Gesten. Als sie schließlich alle Einzelheiten ihrer Begegnung mit Azachiel und jedes seiner Worte wiedergegeben hatten, war vor ihnen bereits der zerklüftete Felswall am Rande der Landebahn zu sehen.
Jenseits des schimmernden Flugzeuges, am südlichen Himmel über der Ägäis, zogen dunkle Gewitterwolken herauf. Für einen Moment fuhr ihnen allen der Schreck tief in die Glieder: Waren das vielleicht gar keine Wolken, sondern vielmehr die Armee der Gefallenen Engel? Aber ein ferner Donnerschlag und das grelle Flimmern eines Blitzes versicherten ihnen, dass es sich um ein ganz gewöhnliches Unwetter handelte.
In ihrer Lage war das keine erfreuliche Aussicht.
Nachdem Kyras Bericht beendet war, atmete der Professor einige Male tief durch. Ihm war anzusehen, wie sehr ihn die Schilderungen der Freunde bedrückten.
»Und wann, hat euer Freund gesagt, sollen diese … Engel hier sein?«, fragte er mit heiserer Stimme.
»Bald«, sagte Lisa.
Kyra betrachtete ihren Vater finster von der Seite. »Besonders überrascht wirkst du ja nicht gerade. Fast so, als hättest du –«
»Das alles gewusst?«, unterbrach sie der Professor. »Lieber Gott, nein! Ich dachte, nach all den Jahrtausenden … ich meine, nach so langer Zeit … da wäre das Haupt von Lachis längst vergessen.«
»Offenbar nicht«, sagte Chris.
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Nils. »Hat jemand einen vernünftigen Vorschlag?«
»Schätze, wir sollten versuchen, Raguel und seinen Kriegern das Haupt zurückzugeben«, sagte Chris.
»Azachiel hat gesagt, das würde nichts nützen«, erinnerte ihn Kyra.
»Trotzdem ist es besser, als einfach nur dazusitzen und abzuwarten.«
Zu ihrer aller Überraschung stimmte der Professor zu. Auf einmal schien er sich gar nicht schnell genug von seinem heiß geliebten Fund trennen zu können. »Chris hat Recht. Wir sollten es wenigstens versuchen. Es ist schon manche Schlacht beendet worden, bevor der erste Schuss gefallen ist.«
»Tolle Weisheit«, brummte Nils. »Und wie sollen wir das machen? Ein weißes T-Shirt an einen Besenstiel binden und damit winken? Das wird die Kerle sicher mächtig beeindrucken.«
»Wir bringen das Haupt zur Kirche«, beschloss Kyra. »Das ist weit genug weg vom Flugzeug. Damit sind wenigstens die Japaner und der Pilot außer Gefahr.«
»Es sei denn«, gab Lisa zu bedenken, »die Engel bestrafen jeden, der irgendwie mit dem Ding zu tun hatte.«
»Wollen wir’s nicht hoffen«, sagte der Professor.
Erneut ergriff Kyra das Wort, und ihr Tonfall machte den anderen klar, dass ihr Plan endgültig und unabänderlich war. »Wir legen das Haupt vor die Kirche und verschwinden wieder«, sagte sie. »Dann werden wir ja sehen, was passiert.«
Es kommt noch schlimmer
Professor Rabenson war es gerade unter viel Stöhnen und Schimpfen gelungen, die Leiter zu erklimmen und seinen Rucksack im Durcheinander der Kabine wieder zu finden, als am Ende der Piste eine Staubwolke aufstieg. Erschrocken blickten die vier Freunde auf. Lisa spürte, wie sich alle Muskeln in ihrem Körper verkrampften. Chris schob sich nervös die schwarzen Haarsträhnen aus der Stirn.
Doch schon Augenblicke später drang das Dröhnen eines Jeeps aus dem Inneren der Wolke an ihre Ohren. Doktor Castel raste mit Höchstgeschwindigkeit auf das Flugzeug und seine Passagiere zu.
Kyras Vater erschien mit dem Rucksack in der Luke des Flugzeugs, als der Franzose den
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