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Sieben Siegel 05 - Schattenengel

Sieben Siegel 05 - Schattenengel

Titel: Sieben Siegel 05 - Schattenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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zu allen Türen, die sich seit dem ersten Erscheinen der Sieben Siegel vor ihnen abgezeichnet hatten. Wenn es nur gelänge, ihn als Verbündeten zu gewinnen …
    Lisa musterte Azachiels schmale, hellhäutige Züge. »Die beiden anderen, oben auf dem Flugzeug –«
    »Waren Knechte Satanaels«, führte Azachiel den Satz zu Ende. »Ehemalige Engel. Niedere Soldaten, die keine Chance gegen mich hatten. Aber es gibt andere, mächtigere als sie. Uriel etwa, den einstigen Sühneengel. Oder Raguel, Uriels obersten Heerführer. Und sie werden herkommen, auf diese Insel.«
    »Sie wollen dieses Ding aus Lachis, nicht wahr?«, sagte Chris.
    Azachiel nickte. »Das Haupt von Lachis ist der Schädel einer meiner Brüder, gefallen in jenem Krieg, der unsere Vertreibung aus Gottes Reich besiegelte. Die ersten Menschen fanden ihn, als sie über die brennenden Schlachtfelder streunten. Sie waren auf der Suche nach etwas, das sie uns gleich machen würde. Diese Narren! Alles, was sie fanden, war dieser eine Schädel. Er wurde nach Lachis gebracht und dort Jahrtausende aufbewahrt, denn da war er sicher vor Satanaels Zugriff. Seine Kreaturen hätten die magischen Schwellen niemals überschreiten können. Aber jetzt ist das Haupt nicht länger in Lachis, sondern hier, auf dieser Insel. Satanael hat Uriel beauftragt, es zu ihm zu bringen, und Uriel hat Raguel und seine Kämpfer ausgesandt. Sie werden bald hier sein.«
    »Was ist so besonders an diesem Schädel?«, wollte Kyra wissen und fügte schnell hinzu: »Von seiner Herkunft einmal abgesehen.«
    »Der Schädel eines Engels hat Macht. Er kann zerstören, was gut war und nun böse ist.« Azachiel schien diese rätselhafte Kraft nicht näher beschreiben zu wollen, und die Freunde fragten nicht weiter danach. Die Angst überwog ihre Neugier.
    »Wir könnten ihnen den Schädel einfach geben«, schlug Nils vor.
    »Und Satanael zu noch größerer Macht verhelfen?«, fuhr Azachiel ihn an. »Ist es wirklich das, was ihr wollt?«
    »Er wird uns so oder so töten«, sagte Chris mit bleichem Gesicht.
    »Raguel wird weit mehr tun als euch töten. Er wird euch vor Uriels Strafgericht führen, vor den Sühneengel selbst. Und die Sühne, die er euch auferlegen wird, wird viel furchtbarer sein als der Tod.«
    »Warum hilfst du uns?«, fragte Kyra.
    Azachiel lächelte plötzlich, ein vages, mysteriöses Lächeln, das ihnen kalte Schauder über die Rücken jagte. »Keine Gründe für euch. Keine Hoffnung für mich. Ich helfe. Das ist alles.«
    Damit drehte er sich um und ging.
    Augenblicke später löste sich sein Umriss in flatternde Nachtfalter auf, die um ihre Köpfe schwirrten und als wabernder Schwarm in den Nachthimmel stiegen.

Die Kirche über dem Abgrund
    Sie wussten selbst nicht genau, was es war, das sie nach Azachiels Verschwinden zu der kleinen Kirche zog. Doch ob es aus freiem Willen geschah oder ob sie längst den Befehlen einer höheren Macht folgten, war gleichgültig geworden. Alles, was zählte, war das, was der Engel zu ihnen gesagt hatte.
    Uriel hat Raguel und seine Kämpfer ausgesandt. Sie werden bald hier sein.
    Und weiter: Die Sühne, die er euch auferlegt, wird viel furchtbarer sein als der Tod.
    Das genügte. Mehr mussten sie im Augenblick nicht wissen. Dies allein reichte aus, ihre Gedankengänge in ein einziges Chaos zu verwandeln. Selbst Kyra, die oft genug Gelassenheit im Angesicht der Gefahr bewiesen hatte, stand die Panik deutlich im Gesicht geschrieben.
    Vor dem doppelflügeligen Portal der Kirche blieben sie stehen. Auf dem Weg hierher hatten sie zuerst geschwiegen, dann plötzlich alle durcheinander geredet und waren schließlich wieder still geworden. Sie mussten nicht darüber streiten, ob das, was Azachiel gesagt hatte, der Wahrheit entsprach – natürlich war es wahr. Sie alle hatten bereits zu viel erlebt, um die Existenz eines Engels rundweg abzustreiten.
    Unterschiedlicher Ansicht waren sie allerdings über ihr weiteres Vorgehen. Doch schon bald stellte sich heraus, dass ihnen ohnehin kaum Möglichkeiten blieben. Sie saßen auf dieser verfluchten Insel fest, und was immer sich dem Eiland näherte, war längst nicht mehr aufzuhalten. Falls die Schergen des Sühneengels auf dem Weg hierher waren, dann gab es vor ihnen kein Entkommen. So einfach war das. Und so unerfreulich.
    »Was sollen wir in der Kirche?«, fragte Nils und schaute am Portal hoch.
    Ein warmer Wind strich vom Meer über die Insel, wehte die Klippe herauf und wirbelte Kyras rotes Haar

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