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Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Titel: Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Antwort fiel unten im Keller die Tür der Büchergewölbe mit einem schrillen Knirschen ins Schloss.

Invasion
    Als sie hinaus ins Tageslicht traten, brachten Lisa und Nils gerade ihre Fahrräder mit schlitternden Hinterreifen zum Stehen.
    »Habt ihr’s schon gesehen?«, entfuhr es Nils atemlos.
    »Was?«, fragte Kyra verwundert. Schnell schaute sie sich nach allen Seiten um. Der Marktplatz lag weitgehend verlassen da, nur zwei Autos parkten auf der anderen Seite. Eine Rentnerin führte ihre beiden Pudel Gassi.
    Rund um den Platz erhoben sich fünf mannshohe Monolithen, die schon seit Jahrhunderten die gepflasterte Fläche säumten. Es waren grob behauene Steinblöcke, die nach oben hin spitz zuliefen. Nils hatte sie einmal mit Obelix’ Hinkelsteinen verglichen, und das traf es ziemlich genau. Wahrscheinlich wusste nicht einmal Herr Fleck mit Gewissheit, wann sie errichtet worden waren.
    »Ich seh nix Ungewöhnliches«, sagte Chris.
    »Doch nicht hier « , gab Nils hastig zurück.
    »Draußen, vor der Stadt«, fügte Lisa hinzu. Offenbar hatten sich beide auf ihren Rädern ziemlich abgestrampelt, denn ihr Atem rasselte wie der Wind in einem der zahlreichen Kaminschächte des Erkerhofs.
    »Was ist denn vor der Stadt?«, fragte Kyra alarmiert.
    »Schaut’s euch selbst an«, erwiderte Nils.
    »Nun sag schon, was los ist!«
    »Vogelscheuchen!«, platzte Lisa heraus. »Die Hügel sind voll von ihnen!«
    »Was?«, entfuhr es Kyra und Chris wie aus einem Mund.
    »Wir haben’s vom Hoteldach aus beobachtet«, sagte Nils. »Vom Kerkerhof hat man ja einen guten Ausblick über die Gegend.« Die Freunde nannten das Hotel Erkerhof immer nur Kerkerhof, weil es ein so unheimliches Gemäuer war.
    »Es sieht aus, als kämen sie von allen Seiten auf die Stadt zu«, sagte Lisa. »Wie bei einer Belagerung. Oder einem Angriff.«
    »Vom Stadttor aus müssten wir sie sehen können, oder?« Kyra setzte sich hastig in Bewegung, die anderen folgten ihr. Lisa und Nils schoben ihre Fahrräder nebenher.
    »Konntet ihr erkennen, wie sie sich auf Giebelstein zubewegt haben?«, fragte Chris, während die vier die Hauptstraße Richtung Norden entlangeilten. »Ich meine, sind sie auf ihren Pfählen gelaufen oder gehüpft oder wie?«
    »Man sieht nicht, wie sie sich bewegen«, gab Lisa zurück. »Genau wie oben auf dem Bahndamm. Man schaut kurz weg, und wenn man wieder hinguckt, sind sie näher gekommen.«
    »Es reicht sogar, wenn man nur mit den Lidern zwinkert. Ich hab’s ausprobiert. Augen zu, Augen auf – und schon sind sie ein Stück näher gekommen. Nicht viel, nur einen oder zwei Meter. Sie nähern sich langsam, aber sie nähern sich.«
    »Wie viele sind es?«, fragte Chris.
    »Wir waren zu weit entfernt, um alle zu zählen. Wir haben ungefähr ein Dutzend gesehen, oder?« Nils warf seiner Schwester einen fragenden Blick zu.
    Lisa nickte zustimmend.
    Sie stellten die beiden Fahrräder im Innenhof von Kyras Haus ab. Tante Kassandra bediente gerade vorne im Teeladen einen ihrer wenigen Stammkunden. Sie rief ihnen ein Hallo zu und fragte, ob sie später ein paar neue Teesorten ausprobieren wollten. Kyra erwiderte hastig, dass sie noch viel zu tun hätten und leider keine Zeit dafür sei. Tante Kassandra lächelte nachsichtig. Sie wusste, dass die Freunde ihre exotischen Teemischungen nicht mochten.
    Über die Treppe des schmalen Fachwerkhauses gelangten sie auf den Dachboden. Hier wohnte Kyra zwischen zerwühltem Bettzeug, umherliegenden Büchern, Zeitschriften und ein paar Postern mit zerfransten Ecken. Von dem Zimmer aus führte ihr Weg die Freunde durch die Dachluke und außen über den Dachfirst hinüber zum Stadttor.
    Das Haus, in dem Kyra mit ihrer Tante lebte, grenzte an Giebelsteins mittelalterliche Stadtmauer. Das Dach stieß gegen einen der beiden Türme des Nordtors, und nur von hier aus konnte man in sein Inneres gelangen. Seine Zugänge von der Straße aus waren mit Brettern verbarrikadiert, aber über das Dach kam man an eine offene Schießscharte heran. Sie war gerade breit genug, dass sich die vier Freunde hindurchzwängen konnten. Nicht zum ersten Mal hatten sie diesen Weg benutzt, einmal sogar auf der Flucht vor dem mörderischen Dornenmann, den eine Hexe des Arkanums beschworen und auf sie gehetzt hatte. Damals waren sie nur mit Mühe und Not mit dem Leben davongekommen.
    Jetzt erklommen sie die steile Wendeltreppe im Inneren des Turms. Nach wenigen Stufen hatten sie die schmale Plattform hinter den Zinnen erreicht. Von

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