Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween
davon geträumt, eine echte Hexe zu sein – und nun, da sie es zum ersten Mal mit wahrer Magie zu tun hatte, machte Kyra ihr den Triumph streitig. Beinahe tat sie den Freunden Leid.
Nur einen Augenblick lang.
Denn mit einem Mal griff Mara nach einem Bein der Alraunenwurzel und wollte sie Kyra entreißen. »Gib das her!«
Kyra packte die Wurzel fester. »Ich denk ja gar nicht dran.«
Mara zerrte heftiger an der Wurzel, Kyra hielt dagegen.
Mit einem trockenen Bersten brach die Wurzel entzwei.
Die Mädchen stolperten auseinander. Mara betrachtete entgeistert ihre Hälfte des Wurzelkörpers: ein Bein, ein Arm, ein Teil des Torsos.
»Oh nein«, keuchte sie. Ihr Gesicht war verzerrt wie unter Schmerzen.
Kyra hielt ihr Bruchstück in der Hand – sie hatte den Kopf der Alraune erwischt, so als könnte sich das kleine Wurzelgesicht nicht von seinem lebenden Vorbild trennen.
Und dann, wie aus dem Nichts, gellte ein entsetzlicher Schrei durch die Schule.
Nils wirbelte herum. Der Strahl seiner Taschenlampe irrlichterte durch die Kräuterkammer der Hexenhauses. »Was ist das?«
» Wer ist das?«, murmelte Chris.
Der Schrei hallte lang gezogen durch die Säle und Korridore des Gemäuers, um dann abrupt zu verstummen.
»Der Direktor«, flüsterte Kyra in die plötzliche Stille. »Ich glaube, wir haben ihm weh getan.«
Sie packte Mara am Arm. »Wo sind die drei anderen Alraunen? In welchen Räumen?«
Mara zögerte. Sie war viel zu verwirrt, um wirklich zu begreifen, was um sie herum vorging. Das unheimliche Kreischen machte ihr Angst, und erstmals schien ihr der Gedanke zu kommen, dass Kyra und ihre Freunde im Recht waren. Vielleicht hatte sie wirklich an Dingen gerührt, die zu groß, zu mächtig für sie waren.
»Eine ist in der Schwarzen Lagune im zweiten Stock«, sagte sie stockend.
»Klasse«, krächzte Nils lakonisch. »Von da kommen wir gerade.«
»Eine ist im Erdgeschoss, im Kürbiszimmer. Und die letzte hab ich runter in den Keller gebracht, ins Archiv.« Mara atmete kräftig ein und aus, so als bekäme sie kaum Luft. »Das liegt an der Aufregung«, dachte Kyra.
»Okay«, meinte Chris. »Dann wissen wir wenigstens, was wir zu tun haben.«
»Und Lisa?«, fragte Nils.
»Lisa ist nicht mehr hier im Hexenhaus«, sagte Kyra. »Wir hätten sie sonst gefunden. Entweder ist sie weggelaufen, oder der Direktor hat sie irgendwohin verschleppt.«
Hinter ihnen, am Eingang der Kammer, ertönte ein Knirschen.
Chris stöhnte. »Wenn man vom Teufel spricht …«
Ein schwarzer Scherenschnitt schob sich durch die Tür herein. Sofort breitete sich im Raum der Gestank von Alter und Verwesung aus. Das Zischen des Rohrstocks ertönte.
Nils hielt mit der Taschenlampe auf die Gestalt. Zum ersten Mal sahen sie das Gesicht der Kreatur.
Mara schrie auf.
Kyra griff sie am Arm, zerrte sie mit sich nach hinten. Chris und Nils folgten ihnen. Stolpernd und fluchend wichen sie zurück zur Rückseite der Kammer, tiefer in das Gewirr der künstlichen Pflanzen.
»Ungezogene Kinder«, zischte es aus dem Schatten, der sich jetzt wieder über die Fratze des Direktors legte. »Ihr verdient Strafe.«
»Da hinten ist eine versteckte Tür.« Mara deutete auf ein Dickicht aus Plastikgewächsen. Ihre Hälfte der Wurzel hielt sie noch immer fest umklammert.
Kyra schob sich ihr Alraunenstück unter den Hosenbund. »Wo führt sie hin?«
»Das ist ein Notausgang«, erwiderte Mara. Sie stolperte über eine abgebrochene Pflanze, aber Chris erwischte sie gerade noch rechtzeitig und zog sie zurück auf die Füße.
Mara war dabei gewesen, als das Hexenhaus geplant und gebaut worden war. Sie kannte jede Ecke der verwinkelten Konstruktion.
Jetzt drückte sie die Plastikgewächse beiseite und stieß den schmalen Durchgang auf, der dahinter verborgen war. Kyra und die beiden Jungen folgten ihr in eine dunkle Schneise, die entlang der Seite des Speisesaals verlief, außerhalb der Hexenhauskulisse. Hinter sich hörten sie das Säuseln und Zischen des Direktors, der ihnen eng auf den Fersen war.
»Warum entfacht der nicht wieder irgendein Feuer?«, presste Chris atemlos hervor.
»Vielleicht hat das damit zu tun, dass wir die erste Alraune zerstört haben«, überlegte Kyra laut.
Chris wurde hellhörig, trotz ihrer überstürzten Flucht. »Glaubst du, er verliert mit jeder der vier ein wenig von seiner Macht?«
»Wäre doch möglich, oder? Schließlich haben ihn die Alraunen erst aus dem Jenseits zurückgerufen. Irgendwie zieht er aus ihnen die
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