Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween
richtigen.« Panik verzerrte ihre Stimme.
»Mach schon!« Kyra starrte angespannt auf den blitzenden Schlüsselbund in Maras Fingern. Draußen auf dem Flur glaubte sie das Flüstern des Direktors zu hören, geisterhaft und mit jeder Sekunde ein wenig lauter. Er ließ sich Zeit, kam gemächlich den Gang herunter. Er wusste, dass sie in der Falle saßen.
Noch ein Schlüssel. Und wieder war es der falsche.
»Okay«, sagte Mara und holte tief Luft, »das hier ist der letzte. Der muss es sein.«
Tatsächlich – der Schlüssel passte.
Mara drehte ihn zweimal herum. Der Mechanismus klickte und schnappte.
Mara zog den Schlüssel aus dem Schloss und wich zwei Schritte zurück. Kyra ließ die Klinke los und folgte ihr. Im Raum war es stockdunkel, doch Kyra wagte noch nicht, den Lichtschein ihrer Taschenlampe von der Tür zu nehmen.
Das unverständliche Wispern des Direktors wurde jetzt nicht mehr lauter. Er musste sich direkt vor der Tür befinden.
Langsam senkte sich die Klinke.
Einmal, zweimal.
Die Tür blieb zu.
»Jetzt wird sich zeigen, ob er wirklich einen Teil seiner Macht über die Schule verloren hat«, flüsterte Kyra. »Falls wir Unrecht hatten, wird sich die Tür einfach in Luft auflösen. Oder verbrennen.«
Mara schluckte, sagte aber kein Wort.
Das Rütteln an der Klinke wurde heftiger.
»Bitte, bitte, bitte«, wiederholte Mara monoton.
Die Tür gab nicht nach. Sie wurde auch nicht zu Luft oder Feuer.
Sie hatten sich eine Atempause erkämpft.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Kyra. »Wo ist die Alraune?«
Sie drehte sich um und leuchtete mit der Taschenlampe in die Tiefe des Raumes.
Zweihundert Fratzen starrten sie an.
Spitze, gefletschte Zähne. Aufgerissene Mäuler. Verkniffene Augen.
Zweihundert Kürbisgesichter.
Mara schaute sich irritiert um. »Ich hab einen davon mit Erde gefüllt und die Alraune hineingepflanzt.« Verzweifelt schüttelte sie den Kopf.
»Ich weiß nicht mehr, welcher es war.«
Kyra schaute sich um. Die Organisatoren der Halloweenfeier hatten alle Schüler dazu aufgerufen, einen Kürbis auszuhöhlen und mit einer Dämonenfratze zu verzieren. Nicht jeder hatte mitgemacht, und doch waren genug zusammengekommen, um diesen Raum zu füllen.
Jeder Kürbis steckte auf einem hölzernen Stiel, manche nur knapp über dem Boden, andere höher als die Gesichter der Besucher. Alle Fratzen waren zum Eingang gewandt. Eine Heerschar grinsender Halloweengeister.
»Mara, du musst versuchen, dich zu erinnern«, sagte Kyra eindringlich.
Das ältere Mädchen irrte suchend zwischen den Kürbissen umher. Hektisch fuhr sie sich wieder und wieder durch die langen blonden Haare. Je mehr sie sich aufregte, desto schwerer fiel es ihr, den einen lebenswichtigen Kürbis wieder zu finden.
Ein Knirschen drang vom Korridor herein. Der Direktor kratzte mit seinen knöchernen Fingerspitzen über die Tür. Auf und ab. Auf und ab. Es klang wie das Quietschen von Kreide auf einer Schultafel.
»Bitte, Mara«, drängte Kyra.
»Er war im hinteren Teil des Zimmers«, sagte Mara, »so viel weiß ich noch.«
Das Kratzen an der Tür brach ab.
»Er hat irgendwas vor«, flüsterte Kyra. »Ein Wesen wie er lässt sich doch nicht von einer blöden Tür abschrecken.«
Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Seine magische Macht über die Schule hatte der Direktor vielleicht durch die Zerstörung der ersten Alraune eingebüßt. Aber noch waren da drei andere Hexenpflanzen, und jede musste eine besondere Bedeutung haben.
Ein Viertel seiner Kraft hatte er verloren. Was aber war mit den übrigen drei Alraunen? Zu welcher Heimtücke, welcher Bösartigkeit befähigten sie ihn?
Mara lief jetzt aufgescheucht zwischen den hinteren Kürbissen umher, versuchte krampfhaft, sich zu erinnern. Aber die Angst und die Ungewissheit nahmen ihr jegliche Fähigkeit, sich zu konzentrieren. Es war wie bei einer besonders wichtigen Klassenarbeit: Vor Nervosität fallen einem nicht einmal die Antworten auf die allerleichtesten Fragen ein. Sie sind wie weggewischt, einfach aus dem Gehirn gelöscht.
Genauso erging es nun Mara. Kyra erkannte, dass sie den richtigen Kürbis auf diese Weise niemals finden würden. Erst recht nicht in der knapp bemessenen Zeit, die ihnen blieb.
Kyra traf eine Entscheidung.
Sie legte die Taschenlampe auf einem Tisch neben dem Eingang ab, sodass der Strahl die stumme Armee der Kürbisse beschien. Dann riss sie einen der vorderen Köpfe von der Stange, schleuderte ihn beiseite und packte den
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