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Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Titel: Sieben Siegel 10 - Mondwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wie ein Rohrspatz über ihr Missgeschick. Lisa und Chris legten je einen Arm um sie und halfen ihr beim Erklimmen der Treppe. Die Bücher ließen sie unten liegen. Herr Fleck versprach augenzwinkernd, sie später zu stapeln und für Kyra bereitzulegen; sie würden ihr schon nicht davonlaufen, schließlich lägen sie seit Jahrhunderten hier unten im Archiv.
    Einen Telefonanruf später traf Tante Kassandra in ihrer klapprigen Ente ein, ungeachtet des dichten Nebels. Gemeinsam luden sie die schimpfende Kyra in den Wagen, und Lisa und Chris mussten ihrer Freundin versprechen, vorsichtig zu sein und auf gar keinen Fall etwas Voreiliges zu unternehmen.
    »Und das sagt gerade sie«, meinte Lisa mit einem Lächeln, als der Wagen in den weißen Schwaden verschwand.
    Chris nickte. »Kyra hilflos im Bett – Oh Mann, ich möchte jetzt nicht in der Haut ihrer Tante stecken. Die schlechte Laune …«
    Lisas Blick fiel auf eine Telefonzelle, die nahe beim Eingang des Rathauses stand. Sie musste an Chris’ Vorschlag denken.
    »Wie sieht’s aus, wollen wir’s versuchen?«
    »Was denn?« Chris war in Gedanken offenbar noch immer bei Kyra.
    »In der Sternwarte anrufen.«
    »Oh, sicher. Gute Idee.«
    Na, dachte Lisa mit einem Stirnrunzeln, du bist ja ganz schön durcheinander.
    Das Telefonbuch in der Zelle war uralt und ganz zerfleddert von den vielen herausgerissenen Seiten. Lisa verzog angeekelt das Gesicht, als sie beim Blättern auf einen zurückgelassenen Kaugummi stieß. Doch dann hatten sie Glück und entdeckten tatsächlich die richtige Nummer. Chris benutzte seine Telefonkarte und wählte. Dabei rückte er ein wenig, damit Lisa mithören konnte. Als sie ihr Ohr nah an den Hörer brachte, berührten sich fast ihre Wangen. Lisa spürte, dass sie eine Gänsehaut bekam – diesmal allerdings nicht aus Angst.
    »Geht keiner ran«, sagte Chris nach dem zehnten oder elften Freizeichen. Er drückte die Gabel hinunter, wählte erneut und horchte. Das gleiche Ergebnis.
    »Vielleicht ist die Sternwarte wirklich längst verlassen«, vermutete Lisa, »und dieser Doktor Karfunkel und seine Leute sind schon vor Jahren abgezogen.«
    Chris nickte nachdenklich und hängte den Hörer ein. »Würd ich gerne glauben. Aber solange die Telefonnummer freigeschaltet ist –«
    »Du denkst, da draußen ist vielleicht irgendwas passiert, oder?« Natürlich hatte Lisa diese Möglichkeit selbst in Erwägung gezogen, aber aus irgendeinem Grund hatte sie gehofft, sie nicht aussprechen zu müssen.
    Chris zuckte nur mit den Schultern.
    Schließlich schwangen sie sich auf ihre Räder und fuhren los, die Hauptstraße hinauf Richtung Norden.
    In Richtung der Wälder.
    Lisa erkannte, dass ihre Sorge berechtigt gewesen war: Nebel und Nacht vermischten sich zu einer Schwärze so finster wie die Bosheit im Herzen einer Arkanumhexe.
    Es war kurz nach zweiundzwanzig Uhr.

Doktor Karfunkel
    Die Strahlen ihrer Fahrradlampen bohrten sich keine zwei Meter tief in die Finsternis. Es war, als radelten sie durch den leeren Abgrund zwischen den Sternen, durch ein Reich der Dunkelheit, nah an der Grenze zur Blindheit.
    Sie fuhren ein Stück die Landstraße hinauf, bis kurz vor der Abzweigung zur Kirche Sankt Abakus und dem alten Friedhof. Dort bogen sie in einen Feldweg – und sahen plötzlich Gestalten vor sich im Nebel auftauchen, so unvermittelt, dass Chris sein Fahrrad mit einem erschrockenen Ausruf abbremste. Das Vorderrad stellte sich quer, und beinahe wäre er gestürzt.
    Ein Gesicht grinste sie an, drei weitere schälten sich dahinter aus der Dunkelheit. Alle vier Gestalten trugen Taschenlampen.
    »Müsstet ihr nicht längst im Bett sein?«, fragte der Kerl mit dem schiefen Grinsen. Er war nur wenige Jahre älter als Lisa und Chris, beide kannten ihn vom Sehen aus der Schule. Auch die anderen drei waren Schüler und Schülerinnen der Oberstufe.
    »Witzig«, kommentierte Lisa mürrisch.
    »Was tut ihr hier draußen?«, fragte Chris. Lisa war nicht sicher, ob das in Anbetracht der Umstände eine allzu clevere Frage war. Sie hatte keine Lust auf Ärger mit den älteren Jugendlichen.
    Der Wortführer der vier wollte etwas sagen, doch eines der Mädchen kam ihm zuvor. Es klang etwas versöhnlicher. »Habt ihr auch die Flugzettel gelesen? Von dieser Schattenshow?«
    Lisa beschloss, dass es vermutlich keinen Unterschied machte, ob sie schwindelten oder die Wahrheit sagten. »Da wollen wir auch hin. Wisst ihr, wo genau das Ganze stattfindet?«
    Der Grinser nickte. »Klar,

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