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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Preusker
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dass es so war. Ich hatte das diffuse Gefühl, ich machte irgendetwas irgendwie falsch. Als negierte ich eine Vorschrift, als beginge ich eine Regelwidrigkeit. Eigenartig.
    Anschließend haben mich dann Jörg und der Pfarrer nach Regensburg in das wirklich schöne Haus der Kollegin gefahren, in dem mein Mann und ich noch vor nicht allzu langer Zeit eingeladen waren. Kamin, exzellenter Rotwein, gutes Essen, ein wunderbarer Abend.
    Dort habe ich nun auf die Ankunft meines Mannes gewartet. Ich wusste, er wird meinen Sohn mitbringen. Die beiden waren am vorangegangenen Wochenende vorgefahren, ich wäre in zwei oder drei Tagen nachgekommen. Und gemeinsam hätten wir dann die Hochzeit vorbereitet. Und uns gefreut. So war der Plan.
    Erst sehr viel später habe ich Details zu der Fahrt meines Mannes und meines Sohnes in das fünfhundert Kilometer entfernteRegensburg erfahren. Zwei Männer, schweigend im Sportwagen. Zwei Männer auf dem Weg in eine andere Stadt, nicht wissend, was sie dort erwartet, aber entschlossen, es auszuhalten und durchzustehen. Cowboys ohne Hut und mit 301 PS unter dem Hosenboden. Vorab das fast Unmögliche bewältigt. Nur ein kurzes Gespräch, der Wortlaut in etwa:
    »Wir müssen deine Mutter in Bayern abholen. Sie ist gestern in ihrer Abteilung von einem Häftling als Geisel genommen worden.«
    Der Siebzehnjährige: »Aber er hat sie doch nicht vergewaltigt, oder?«
    »Doch.« Wieder dieses schreckliche Doch, dass die nicht perfekte, aber beschützte Welt eines Siebzehnjährigen aus den Angeln hebt. Doch. Und wenig später zwei Cowboys auf dem Weg nach Regenburg. Ohne Hüte, aber mit 301 PS.
    Nun saß ich in dem Haus meiner ehemaligen Kollegin und wartete.
    Ich weiß nicht, wie lange ich gewartet habe. Ich weiß nicht, wer noch dort war. Ich weiß nicht, ob ich gesprochen habe und, wenn ja, mit wem oder was. Ich wartete.
    Irgendwann waren sie da. Mein Mann und mein Sohn. Sie waren da. Wie kann man als Frau, die gerade völlig verstört in ein neues Leben gefallen ist, dem Mann, den man liebt, und dem Sohn, den man liebt, in die Augen sehen? Was haben die beiden gesehen – an diesem Tag in dem Haus in Regensburg? Ich weiß es nicht. Ich werde meinen Mann danach fragen. Mein Kind soll das nicht beantworten müssen.
    Mein Mann. Er hatte einen dunklen Anzug an. Er hat mich umarmt. »Jetzt können wir nicht mehr heiraten«, habe ich zu ihm gesagt. Er sieht mich an, sein Blick direkt, ohne Zweifel. Wenn ihn geschockt hat, was er ansehen musste, so hat er es mich nicht spüren lassen: »Und nun erst recht.«
    Und nun erst recht. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn seine Antwort anders ausgefallen wäre.
    An die Fahrt zurück in mein heutiges Zuhause habe ich keinerlei Erinnerung. Ich weiß nicht, dass wir an einer Raststätte angehalten haben, ich weiß nicht, dass ich mit dem Fahrstuhl in unsere Etage gefahren bin, ich weiß nicht, dass wir nachts noch ein Glas Rotwein auf dem Balkon getrunken haben.
    Ich erinnere mich erst an den Tag danach. In den frühen Nachmittagsstunden hat mich mein Mann geweckt. »Mäuschen, du musst aufstehen. Du kannst nicht so lange schlafen, sonst schläfst du heute Nacht nicht.«
    Wir haben auf dem Balkon gefrühstückt. Gesprochen habe ich nicht. Nur irgendwo hingeguckt. Dinge gesehen, die niemand außer mir sehen konnte. Ich glaube, ich habe mein altes Leben betrachtet. Im neuen konnte ich noch nichts erkennen. Ich war nie alleine auf unserem Balkon in der vierten Etage. Sie haben nicht gewagt, mich alleine zu lassen, aber das ist mir erst sehr viel später aufgefallen.
    Abends, mein Sohn war schon schlafen gegangen, hat mir mein Mann ein Rheumabad eingelassen. Mir tat alles weh, jeder Muskel meines Körpers, mein Kiefer, einfach alles.
    Ich lag in der Badewanne. Mein Mann hatte es so nett hergerichtet – Kerzen brannten, Musik lief. Die Tür stand auf.
    Mach die Tür zu. Die Tür muss zu sein. Er soll mich nicht so sehen. So nackt. So verletzt. So verletzlich. Die Tür. Die Tür muss zu sein. Nein, nicht zu. Um Himmels willen – keine geschlossene Tür. Mach doch bitte, bitte die Tür zu.
    Er hat sie dann angelehnt. Und vorher hat er mir Ringelblumensalbe auf die Schnitte im Gesicht aufgetragen. Ganz behutsam, gar nicht nach Cowboy-Art.
    Ein Bad wirkt manchmal Wunder. Aber hin und wieder muss es eben eine richtig heiße Dusche sein – nach Zumba zum Beispiel.

Zumba macht stolz
    Zumba ist angeblich spanisch und heißt auch irgendetwas. Was genau, habe ich

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