Sieben Stunden im April
durch Krebs verloren. Ich glaube, sie leidet am meisten von allen darunter, aber sie trägt diesen Schicksalsschlag doch mit aller Größe. Meta hat Stil, Courage, Humor und einen Bücherschrank voll mit Fotoalben. Meta hat die ganze Welt bereist im Laufe der vielen Jahre, die sie schon auf dieser weilt.
Meta ist Schwäbin. Und zwar durch und durch. Meta spricht Schwäbisch und kennt merkwürdige Begriffe wie Kehrwoche und Breschdlingsgsälz. Meta backt den besten Zwetschgenkuchen, der auf schwäbisch vielleicht ganz anders heißt. Und Meta hätte wohl nie damit gerechnet, dass ihr Lieblingsenkel am Ende eine Frau ehelicht, deren gestochenes Hochdeutsch sie verwirrt. Eine Frau, die Spätzle nur aus der Packung kennt. Trotzdem oder deswegen – wir mögen uns und telefonieren oft. Diese Gespräche sind immer hochinteressant und laufen stets nach dem gleichen Muster ab: Meta versucht sich einige Minuten in Hochdeutsch oder was immer sie dafür hält, um dann in die schwäbische Mundart zu verfallen. Ich muss dann nachfragen und Meta spricht einfach nur lauter. Ich nehme an, sie denkt, ich höre schlecht. Wer ist hier, bitte, weit über achtzig?
Als ich Meta das erste Mal begegnet bin – natürlich war ich aufgeregt – hat sie mir ein Spätzlebrett nebst Schaber und kurzer mündlicher Einführung in die Technik gegeben. Fazit: »So. Nun bist du in die Familie aufgenommen.« Das Ganze natürlich auf Schwäbisch: »So, jetzt bisch in’d Familie uffgnomme.« Oder so ähnlich. Eifriges Nicken aller Anwesenden. Natürlich habe ich das Schaben ausprobiert. Der erste Versuch war schon ganz gut, wenngleich meine Spätzle das Format von DIN-A5-Blättern hatten und das Übrige des Teigs unter der Küchendecke klebte. Mittlerweile habe ich meine Technik perfektioniert und erstatte Meta regelmäßig Bericht über meine Fortschritte. S’Allergröschde zu machen, ist schon eine meiner leichteren Übungen. Aber dennoch: Ich koche es selten. Es macht wirklich viel Arbeit für eine Frau, die bis vor kurzem nur getrocknete Spätzle aus der Tüte kannte. Aber nun bin ich suabifiziert,sagt mein Mann. Die Suaben – das sei ein altes Wort für die Schwaben. Sagt er. Ich hoffe sehr, dass das auch stimmt.
Irgendwann hat Meta mich in meinem neuen Leben angerufen. Ohne Scheu. Einfach so. Wie es mir ginge, hat sie gefragt. Schlecht. Wirklich schlecht.
»Des bassierd Fraue. Des isch ons immer bassierd on wird ons immer wieder bassiere. Mach’s Beschde draus. Du kannsch’s ja doch nemme ändere.«
Willkommen in meinem neuen Leben, Meta. Gut, dir zuhören zu dürfen. Schön, dass es dich gibt. Schön, dass du der Welt zwei Töchter geschenkt hast. Eine von ihnen war die Mutter eines Mannes, der seine Frau, ohne es zu wissen oder zu wollen, in ihrem alten Leben zurückließ. Und der sie dann in einem neuen ungewollten Leben abholen musste.
Cowboys machen mobil
Regensburg ist eine eigenartige Stadt: schön, historisch interessant, atmosphärisch dicht und gleichzeitig extrem unsympathisch. Mir zumindest. Ich mochte die oberpfälzische Grobheit, gepaart mit Arroganz, die diese Stadt ausstrahlt, noch nie. Alles ist so idyllisch, dass es einem auf die Nerven geht, und jede Verkäuferin tut so, als sei sie Fürstin von und zu höchstpersönlich. Ich habe Regensburg immer, so gut es eben ging, gemieden.
Am ersten Tag in meinem neuen Leben hatte das Vermeiden vorerst ein Ende. Auf den Rat der Polizei hin – Rat? Vermutlich war es eher eine Anweisung – sollte ich meine Stadt verlassen. Möglichst schnell. Wegen der Presse. Nach kurzem Zwischenstopp in meinem Haus haben mich Jörg und der Pfarrer nachRegensburg zu einer ehemaligen Kollegin gebracht. Dort sei ich vorerst vor Journalisten geschützt, mein Mann würde mich dort abholen und in seine fünfhundert Kilometer entfernte Wohnung, an einen sicheren Ort, in mein heutiges Zuhause bringen.
In meinem Haus habe ich geduscht. Endlich konnte ich duschen. Auch diese Erinnerungen sind keine, sondern gleichen einzelnen Bildern auf Filmplakaten. Filmtitel: »Die Katastrophe«, Hauptrolle, Regie, Maske und Assistenz: Susanne DamalsnochBergmann.
Ich hatte gelesen, gehört oder erzählt bekommen, vergewaltigte Frauen würden stundenlang duschen, um den Schmutz abzuwaschen, was ihnen doch nie gelänge. Ich habe ganz normal geduscht. So wie immer. So wie früher. So wie heute. Das übliche Procedere. Nicht länger, nicht kürzer, nicht anders. Und gleichzeitig habe ich mich darüber gewundert,
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