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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Preusker
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Deftig. Ehrlich. Unverblümt. Wie Moni.
    Ein anderes Bild: Ich rufe meinen Mann an. Es ist früh am Morgen des nächsten Tages. »Ach, Mäuschen, jetzt bist du ja in Sicherheit. Jetzt ist alles gut. Er hat dir doch nichts getan, oder?«
    »Doch.«
    Dieses Doch, über das wir noch so oft sprechen werden, sprechen müssen. Dieses Doch, das die Welt meines Mannes aus den Angeln gehoben hat. Meines Mannes, der fünfhundert Kilometer entfernt mein Schicksal in den Nachrichten verfolgen musste. Mein Mann, der heute noch zusammenzuckt, wenn er die Laufzeile – mit beliebigem Inhalt – unten im Bild auf N24 sieht. Mein Mann, der gebetet hat, der alles ertragen kann – aber nicht, dass den Menschen, die er liebt, Böses geschieht.Doch das ist seine Geschichte. Er muss sie erzählen – oder eben nicht.
    »Er hat dir doch nichts getan, oder?«
    »Doch. Aber nur ein bisschen.« Am Morgen danach soll ich tatsächlich zu meinem Mann gesagt haben: »Aber nur ein bisschen.«
    Andere Bilder:
    Ich werde polizeilich von einer Beamtin vernommen. Manche Fragen verstehe ich nicht. Welche Medikamente toben in meinem Blut? Warum tut mir alles weh? Ich antworte so exakt wie irgend möglich. Und bin dann Monate später doch entsetzt über das, was ich in meinem Vernehmungsprotokoll lese. War ich das?
    Pfarrer L. holt mit einem Rezept aus einer Apotheke die Pille danach. Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Niederbayern, ist sie nicht vorrätig. Ich habe Angst vor einer Schwangerschaft, wenn ich auch davon ausgehe, zu alt dafür zu sein. Gedanken kreisen: War ich mir nicht auch meiner Sache zu sicher, war ich nicht zu nett, zu freundlich, zu bemüht, zu professionell, zu glücklich, um vergewaltigt zu werden? Lauter Zus, die doch nichts verhindern.
    Jörg, mein Kollege, Stellvertreter und Freund, regelt das Praktische: Ich brauche Kleidung, mein Auto muss weggefahren werden, wo ist meine Handtasche. Jörg macht das. Die Dinge sind bei ihm in guten Händen.
    Ich trage eins von diesen Krankenhaushemden. Und ein Arzt versucht, mir Blut abzunehmen. Warum? Es tut weh. Meine Venen sind schlecht, das waren sie schon immer. Er sticht in den Handrücken. Das tut weh. Ich glaube, ich habe »Aua« gesagt.
    Und Moni sagt: »Muss das denn jetzt sein?« Ich glaube zumindest, dass sie das gesagt hat. Laut und bestimmt. Moni – das sind ganz viele Kilos auf 1,60 Meter. Ein Riesenbusen, eine Riesenklappe. Moni ist laut, anstrengend, selbstsicher bis zur Grenze des Erträglichen. Moni redet gerne. Und zwar pausenlos. Moni polarisiert: Man mag sie oder man hasst sie. Dazwischen gibt es nichts. Moni trippelt manchmal vor Aufregung auf ihren winzigen Füßen ganz schnell hin und her. So als versuche sie, ihren eigenen Redefluss zu überholen. Dann wogt der Busen und man fragt sich zwangsläufig, wie diese Füße ihr Gewicht halten können – rein physikalisch betrachtet.
    Moni – die beste Schreibkraft, die ich je hatte. Und ich hatte viele im Laufe der Jahre. Moni – eine Seele mit Riesenbusen, der aber immer noch zu klein ist für dieses überbordende Herz, in dem ich Platz finde. Und meine ganze kleine Welt dazu. Moni – eine Freundin.
    Moni wohnt dem Gebäude gegenüber, in dem ich mein altes Leben verloren habe. Sie war zu Hause und hat den Alarm, die Martinshörner gehört. Dann hat sie versucht, mich im Büro anzurufen. Ich habe mich mit »Hallo« oder »Ja« oder etwas in der Art, jedenfalls nicht mit einem Nachnamen gemeldet. Und ich habe gesagt, ich hätte gerade keine Zeit, hat mir Moni später erzählt. Da sei ihr klar geworden, dass etwas nicht stimmt. Ich erinnere mich nicht an das Telefonat. Moni dafür umso besser.
    Sie hat dann die ganze Zeit zu Hause in ihrer Wohnung mit direktem Blick auf den Ort, dessen Mauern das Unaussprechliche verbargen, gewartet. Hilflos, aber entschlossen, ihren Warteplatz nicht zu räumen. Nachts ist sie dem Krankenwagen gefolgt und hat sich ins Krankenhaus eingeschlichen, bis auf die Station. Hilflos, aber entschlossen, auch diesen Platz nicht freiwillig zu räumen. Nein, sie werde nicht gehen. Und es sei ihr im Übrigen auch egal, ob sie da sein dürfe oder nicht. Als ich in das Zimmer gebracht worden war, hat Moni sich auf einen Stuhl neben meinem Bett gesetzt. Hilflos, aber entschlossen, auchdiesen Platz nicht zu räumen. Nein, sie werde nicht gehen. Sie bleibe auf jeden Fall. Es muss mittlerweile drei oder vier Uhr morgens gewesen sein. Eine Krankenschwester hat ihr dann das zweite Bett zurechtgemacht.

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