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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Preusker
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viel Freude gemacht vor vielen Jahren, als ich noch nicht wusste, dass man aus seinem Leben in ein anderes fallen kann.
    Als ich das dann wusste, war mir klar – ich werde nur mit Maiglöckchen heiraten. Ich möchte einen Hochzeitsstrauß. Aus Maiglöckchen.
    Aus Maiglöckchen? Das wird aber schwierig zu dieser Zeit. Da muss ich erst mal beim Großhändler nachfragen.
    Bitte. Es ist wirklich wichtig für mich.
    Aber es gibt doch auch so schöne andere Sachen. Cremefarbene Rosen zum Beispiel. Die werden auch immer gerne genommen.
    Nein, ich möchte Maiglöckchen.
    Gut, ich probiere es. Sie sollten aber doch schon mal überlegen, was Sie nehmen, wenn ich keine bekomme.
    Dann nehme ich nichts. Ich nehme nur Maiglöckchen.
    Tja, wenn Sie meinen. Und wenn überhaupt, bekomme ich die auch nur aus Holland. Holländische aus dem Treibhaus. Und billig wird das nicht.
    Macht nichts. Ich brauche die Maiglöckchen. Kann man Maiglöckchen eigentlich trocknen?
    Das können Sie total vergessen. Das geht auf gar keinen Fall. Maiglöckchen kann man nicht trocknen und die aus dem Treibhaus erst recht nicht. Viel zu empfindlich. Bei Rosen sieht das natürlich ganz anders aus. Kein Problem bei Rosen.
    Nein, ich will Maiglöckchen.
    Die Hochzeit. Mit falschen Schuhen. Falschem Schmuck. Falschen Strümpfen. In einem Leben, das sich vielleicht als falsch herausstellen würde. Wer weiß. Aber mit einem ganzen Arm voller Maiglöckchen. Aus Holland oder vom Mars – ganz egal. Maiglöckchen. Ohne anderes Grünzeug. Schlicht und wunderschön. Ein wunderschöner Strauß, hat die Frau gesagt, die die Maiglöckchen besorgt hat. Woher auch immer. Sie hat es ganz ernst und ehrlich gemeint.
    Wie schön – Maiglöckchen. Sagte auch die Standesbeamtin. Sie war ganz aufgeregt. Ihre erste Trauung. Als wir in das Trauzimmer der pompösen Jugendstilvilla gegangen sind, Hand in Hand, Herz an Herz, Schmerz an Schmerz, lief das Lied der schlafenden Sonne:
    For my dreams I hold my life
    For wishes I behold my nights
    The truth at the end of time
    Losing faith makes a crime. 4
    Ich habe die Maiglöckchen auf dem Balkon getrocknet. Nicht eine der kleinen Blüten ist abgefallen. Nur der Geruch war etwas gewöhnungsbedürftig. Eine Mischung aus Friedhof und Hoffnung. Eigenartig. Ich habe den Strauß eines Abends ins Treppenhaus gelegt, in dem es sowieso immer modrig riecht. Ob mit oder ohne Maiglöckchen. Altbau eben. Sehr alter Altbau. Es sah nach Regen aus. Am anderen Morgen war das, was von meinem Hochzeitsstrauß übrig geblieben war, verschwunden. Es hatte doch nicht geregnet in dieser Nacht. Ich war traurig. Heute denke ich, manchmal ist die Erinnerung besonders wertvoll. Meine Maiglöckchen werden immer die schönsten sein, die ich je hatte. Unsterblich. Wie manche Geschichten. Die richtig guten. Die von Ingo zum Beispiel.

Der Herr macht es möglich
    Was will der hier? Ich decke den Frühstückstisch. Eier. Ja, ich muss noch Eier kochen. Ein gutes Ei braucht sieben Minuten. Wo ist das Salz? Da. Der Streuer kippt um. Salz verschütten bringt Unglück. Bitter. Ich glaube nicht, dass ich noch mehr Unglück brauchen kann. Ich brauche auch keinen Pfarrer, für den ich Frühstück machen muss. Das brauche ich ganz sicher nicht. Erst recht nicht, wenn er katholisch ist. Der Wunsch meines Mannes. Er wünscht sich wenig. Er ist nicht anspruchsvoll. Er ist so anders als ich. An einem der ersten Tage meines neuen Lebens wünscht er sich, dass Ingo mit uns frühstückt. Und er wünscht sich, das alles wäre nicht passiert. Nie. Wünsche – das ist etwas für kleine Kinder und für Idioten. Ich bin ärgerlich. Ich decke den Tisch weiter und übe mich in Konversation. Ich bin darin schlecht heute. Meine Sprache will sich dem neuen Leben nicht beugen. Sie tut so, als sei sie noch im alten.
    Ich decke den Tisch. Ja, es ist ein besonders warmer Tag heute. Ein warmes Frühjahr haben wir. Schön. Der Winter war lang genug. Motorradwetter. Ja, richtig. Und Sie fahren welche Maschine? Ach, wie interessant. Kein Stau auf der A2? Prima, das freut mich aber. Milch? Ja, gerne, natürlich, sofort. Es ist zumKotzen. Mir ist zum Kotzen. Mein Mann spricht auch. Ich habe vergessen, worüber. Es ist auch völlig unwichtig. Warum gehe ich nicht einfach? Ich kann nicht. Ich habe solche Angst vor dem, was mir da draußen auflauern könnte.
    Er fragt nichts. Keine Fragen. Wie geht es Ihnen? Wie gehen Sie damit um? Kann ich etwas für Sie tun? Keine Fragen. Erstaunlicherweise. Pfarrer

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