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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Preusker
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Kilometer. Wenig Verkehr. Das schaffst du. Zuhause legst du dich hin. Einfach nur ein bisschen Ruhe. Ruhe in die Gedanken bringen. Nur noch achtzig Kilometer. Gleich ist es geschafft, alles ist gut.
    David fährt auf der mittleren Spur, 120 km/h. Der alte, treue Diesel schnurrt.
    Stau. Ganz plötzlich. Links von uns: ein LKW. Vor uns: ein LKW. Rechts: ein LKW. Ich erkenne dahinter Schallschutzwände. Links und rechts. Wir stehen.
    Ich muss hier weg. Ich muss hier weg. Ich kann nicht weg. Ich kann nicht raus. Ich kann nirgends hin. Ich muss hier weg. David. David. Hilf mir. Ich muss hier weg. Ich muss hier weg. Weg.weg. Weg. Wegwegwegwegweg .
    Alles klar, Mama?
    Mir geht es gerade nicht besonders gut.
    Hm.
    Mein Mund ist trocken. Mein Herz rast. Wegwegwegwegweg. Nur weg.
    Fahr bitte auf die rechte Spur.
    Wieso denn?
    Frag nicht. Fahr! Ich schreie fast.
    Ich kann doch jetzt nicht einfach …
    FAHR! Noch ein Schrei.
    Warum hört mich niemand? Warum erlöst mich niemand? David, hilf mir. Nur gedacht. Nicht geschrien. Nehme ich an.
    Blinker. Der rechte LKW bewegt sich einige Meter, der folgende lässt uns vor.
    Wir stehen auf der rechten Spur. Ich angele die Beruhigungstabletten aus meiner Tasche. Eine lege ich auf meine Zunge. Nur eine. Zwei wären besser. Oder drei. Oder alle. David sagt nichts. Wir stehen. Ich lege den Kopf nach hinten und meine Hand auf die Stirn. Sie kühlt nicht. Sie liegt nur da, schwer und feucht und bedrohlich. Ich werde ruhiger.
    Versuch, von der Autobahn runterzufahren. Nimm die nächste Abfahrt.
    Mach ich. Kann aber noch dauern, bis eine kommt.
    Fahr auf die Standspur, mach Warnblinklicht an und fahr ganz langsam bis zur nächsten Ausfahrt.
    Das darf man doch nicht, Mama.
    Bitte, David.
    Meine Zunge ist pelzig, meine Glieder sind schwer. Künstliche Ruhe. Chemische Ruhe. Sprache verwaschen. Keine Angst, kein Überblick, keine Gefühle. Taub.
    Er tut, um was ich ihn gebeten habe. Er tut, was seine Mutter, dieses Wrack, ihm sagt. Er tut es auch in ihrem neuen Leben. Er fragt nichts. Er sagt nichts. Keine Diskussionen.
    Wir verlassen die Autobahn und nehmen die Landstraße. In etwa weiß ich, wo wir sind. In etwa kenne ich den Weg. Zumindest das.
    Ich bin erschöpft. David fährt in die Dämmerung. Mein Mann ruft an. Wo bleibt ihr? Ich spreche es aus – wir waren im Stau. Ich hatte eine Panikattacke. Komm nach Hause. Er spricht noch kurz mit seinem Stiefsohn. Ich weiß nicht, was er zu ihm sagt. Ich weiß nicht, was David ihm antwortet. Ich bin zu erschöpft, um zuzuhören. Es interessiert mich auch nicht.
    Wir brauchen sehr lange, bis wir endlich zu Hause sind.
    Einige Tage später. Wir fahren eine Schnellstraße entlang. Ich fahre. Mein Baby lümmelt auf dem Beifahrersitz rum. Ich habe vergessen, warum es nicht andersrum war.
    Was ist das eigentlich, was du hast, Mama?
    Ich brauche nicht nachzufragen. Ich weiß genau, was er meint. Und ich versuche erst gar nicht, passende Worte zu finden. Es ist lange vor Beginn meiner Verwandlung.
    Weißt du, Menschen, die solche Dinge wie ich oder Ähnliches erlebt haben, verändern sich. Gewalt verändert. Dieses Phänomen hat auch einen langen wissenschaftlichen Namen, aber ich will es mal so erklären: Ich habe ständig das Gefühl einer diffusen Bedrohung. Das ist immer da. Ich habe Angst vor Menschen, vor geschlossenen Räumen, vor allen Situationen, aus denen ich nicht sofort raus kann. Ich erschrecke schneller als früher. Ich bin wacher, immer auf der Hut. Immer auf das Schlimmste eingestellt. Ich laufe immer zu hochtourig. Manchmal schiebt sich so eine Art Folie zwischen mich und die Welt. Dann bin ich von allem ausgeschlossen. Manchmal habe ich das Gefühl, den Überblick zu verlieren. Ich kann mich immer nur auf eine Sache konzentrieren, viele Dinge gleichzeitig verkrafte ich nicht. Dann verliere ich den Überblick. Laute Geräusche stören mich viel mehr als früher. Das Leben, alles fühlt sich anders an. Manchmal glaube ich, in den sieben Stunden, in denen er mich in seiner Gewalt hatte, hat sich mein Gehirn verändert. Es ist nicht mehr das Gehirn von früher. Komisch, oder? Gleichzeitig will ich aber sein wie früher. Und andere Leute mit ihren Hamsterköttel-Problemen nerven mich. Ich messe alles an mir. An unserem Schicksal. Das ist ungerecht, ich weiß. Irgendwo habe ich gelesen, ein Trauma setzt Maßstäbe. Damit war wohl gemeint, dass sich alles und jeder an dem messen lassen muss, was hinter mir liegt. Ich fand den Satz irgendwie sehr

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