Sieben
Zeus’ Gespielin Leto »am siebten Tag« den Lichtgott
zur Welt brachte. Folgerichtig pflegte der inzwischen gleichsam zum »Adonis« herangereifte Apoll sich bei Wintereinbruch in
einem von Schwänen gezogenen Himmelsfahrzeug für sieben Monate ins »Land jenseits des Nordwinds« kutschieren zu lassen, wo
er seine Gesänge mit Vorliebe auf einer siebensaitigen Lyrabegleitete. Allesamt hinreichende Hinweise auf Apolls Vorlieben, um die Menschen zu siebenfachen Kuchenopfern an ihren Lieblingsgott
zu motivieren.
Seit sich das Kaiserreich China im Jahr 1912 zur Republik wandelte, spielen dort Religionen eine vergleichsweise untergeordnete
Rolle. So bekennen sich aktuell nur rund 15 bis 20 Prozent der Chinesen zu einer Religion. Am verbreitetsten ist der Buddhismus, gefolgt vom Islam, dem Christentum und dem Daoismus.
Dagegen nimmt jene philosophischreligiöse Denkrichtung, die in China rund 1700 Jahre lang gleichsam als Staatsdoktrin wirkte, eine nurmehr nachgeordnete Position ein: der Konfuzianismus. Kanonische Grundlage
der von Kong Zi (Konfuzius = Lehrmeister Kong) um das Jahr 500 vor Christus gestifteten Lehre sind »fünf Klassiker«, in denen
das höchste Ziel des Konfuzianismus zum Ausdruck kommt:
den Angelpunkt finden, der unser sittliches Wesen mit der allumfassenden Ordnung vereint.
Wer würde erwarten, dass sich die »mystische Sieben« auch hier ein Stelldichein gibt? Doch herrscht auch im Yjing, dem Shijing,
dem Shujing, dem Chunqiu und dem Liji kein Mangel an Siebenmonats-, -tages- und -jahreszeiträumen, sieben Maulbeerbäumen,
sieben großen Heiligtümern, sieben Grabbeigaben und anderen Siebenbezügen. Und so verhält es sich denn auch bei den von den
beiden mutmaßlichen Konfuzius-Zeitgenossen Laozi (Laotse = Alter Meister) und Siddharta Gautama begründeten Religionen kaum
anders. Obwohl Erstere (der Daoismus) im Wesentlichen auf dem zahlenunabhängigen Prinzip von Yin und Yang fußt und der Buddhismus
allenfalls vier edle Wahrheiten und einen achtfachen Pfad kennt, hat sich die »mystische Sieben« in beiden Religionen einen
festen Platz erobert. So begegnen wir etwa in einem der beiden daoistischen Hauptwerke – dem ›Zhuangzi‹ – neben »siebenfachen
Särgen«, »siebentägigem Fasten« und etlichen Siebenjahresfristen einmal mehr jenen »sieben Weisen«, wie sie uns aus Babylon,
Ägypten, Hellas oder dem Hinduismus vertraut sind. Im Buddhismus dagegen findet sich die Sieben zunächst in den Buddha-Legenden
wieder. So soll Siddharta etwa unmittelbar nach seiner Geburt sieben Schritte getan haben, soll seine Mutter just sieben Tage
später gestorben sein, soll Siddharta mit sieben Jahren sein erstes Entrückungserlebnis gehabt und im Alter von fünf mal sieben
(sprich: 35) Jahren nach siebenmaligem Umrunden eines Bodhi-(=Pappelfeigen-)Baumes Hass, Begierde und Unwissenheit verloren
haben. Während es sich hier – wie gesagt – um Legenden handelt, hätten die Siebenbezüge im Dhammapada, dem Hauptwerk des Buddhismus,
relle Chancen, sich auch als Buchtitel auf dem aktuellen Buchmarkt zu behaupten. Beispiele: »Die sieben Faktoren des Selbsterwachens«
– »Die sieben Arten, sich selbst zu schaden« oder »Die sieben Arten von edlem Reichtum«.
So reiht sich in der altgriechischen Götter- und Heldenmythologie ein Siebenbezug an den anderen: angefangen bei jenen sieben
Jahren, die der umherirrende Odysseus laut Homer von der Nymphe Kalypso gefangen gehalten wurde – einer jener sieben schlimmen
Atlastöchter, die von Göttervater Zeus ob ihrer Eskapaden auf ewig gen Himmel verbannt wurden, wo sie seitdem als Siebengestirn
glänzen; gefolgt von jenem lernäischen Seeungeheuer namens Hydra, das die Helden der Seefahrt durch den Einsatz aller sieben
Köpfe zum Schaudern bringt. Auch ist der Schutzschild des Troja-Kriegshelden Ajax aus sieben Häuten gespannt; Ödipus muss
vor einem der sieben Tore Thebens verharren, bis er das Rätsel der Sphinx gelöst hat. Jahre später verbünden sich zufällig
sieben Feldherren gegen jenes Theben. Und der Startenor der Antike – um nurmehr eines von zahlreichen weiteren Beispielen
zu zitieren – liefert den Stoff zu jenem herzerweichenden Mythos, der noch die Musik und Literatur späterer Jahrtausende inspirieren sollte:
Sieben Tage und sieben Nächte saß Orpheus am Ufer und versuchte, die Unterirdischen durch Bitten und Klagen und flehende Lieder
zur Milde zu stimmen. Doch die Götter
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