Sieben
Rishis mit der Sieben gehalten?
An den gefürchteten Feuergott Agni richtet sich der erste Hymnus der ›Rigveda‹, in dem weder von einer Sieben noch sonst von
einer Zahl die Rede ist. So geht es zahlenfrei weiter, bis mit einem Mal – im Hymnus Nummer 20 – von »drei Mal siebenfältigen
Kleinoden« die Rede ist. Zwei Hymnenspäter bereits schreitet Hauptgott Vishnu (= Der Alldurchdringende)
durch die sieben Formen der Erde
. Und so geht es denn in dieser ältesten Veda mit den Siebenbezügen mit einem Mal so richtig los:
O Held, du ließest die sieben Ströme frei
, heißt es im Folgenden – sowie:
Surya hat die sieben sauberen Töchter des Wagens angeschirrt.
Gleichsam, als sei man unversehens in der nachchristlich-islamischen Märchenwelt von ›Tausendundeine Nacht‹ gelandet (dessen
Ursprünge ja ebenfalls im Industal zu verortensind), reiht sich in Mandalas der ›Rigveda‹ in der Folge ein poesiehaltiges Siebenbild an das nächste – folgen einander im
bunten Wechsel »sieben Burgen«, »sieben Rösser«, »sieben Herrlichkeiten«, »sieben Weltpole«, »sieben Schmuckstücke« oder »sieben
Dichter des Himmels« – um nur einige wenige zu nennen, bevor sich die Überlieferer der heiligen Texte im 10. Buch, Hymnus 130, Vers 7(!) höchstselbst in die heilige Sieben-Ordnung einreihen:
Die wiederkehrenden Handlungen waren mit den Gesängen, mit den Metren im Einklang, die sieben göttlichen Rishis mit der Richtschnur.
Rigveda auf Papier, frühes 19. Jahrhundert
Immerhin zwei Möglichkeiten der Verbreitung der »magi schen Sieben« scheinen damit ausgeschlossen: Weder scheint die Siebenmystik unmittelbar aus den altindischen Religionsmythen in
das zeitgleich sich entwickelnde Judentum eingeflossen zu sein noch umgekehrt. Dass sich die Sieben – ungeachtet der siebengeschossigen
Zikkurats – ursprünglich aus Persien in beide Richtungen verbreitet haben könnte, erscheint mangels ausreichender Sieben-Präsenz
in den altpersischenheiligen Schriften ebenfalls kaum denkbar. Obwohl neben dem altindischen Gott Mitra weitere indische Glaubenselemente im Zoroastrismus
Eingang gefunden hatten und über die altpersischen Mythen endlos viele Siebenbezüge in das Alltagsleben jener Region eingedrungen
sind, scheint es im Hinblick auf die Ursprünge der Siebenmystik fast so, als schiebe sich die ›Avesta‹ wie ein etymologischer
Keil zwischen die Religionstexte Kleinasiens und des Industales. Wäre es also gar denkbar, dass sich die »magischeSieben« ursprünglich gar nicht von einem exakt einzugrenzenden geografischen Ort aus verbreitet hat und dass ihr historischer
Ursprung möglicherweise außerhalb der großen Religionen zu finden ist? Wie anders wäre es beispielsweise erklärlich, dass
die Sieben auch fernab des indischen Subkontinents wirksam wurde?
So präsent die mystische Sieben in der ›Rigveda‹ sein mag, sowenig die Veden im Hinduismus an Autorität eingebüßt haben, und
sosehr sich die Schaffung der »sieben Weisen« oder der »sieben höheren und sieben niederen Welten« durch den Schöpfergott
Brahma im Hinduismus erhalten haben mögen, ist doch die Prominenz der Sieben in der indisch-hinduistischen Gegenwart (Stichworte:
sieben heilige Städte, sieben gemeinsame Schritte des Brautpaars ums Hochzeitsfeuer) auch anderen Einflüssen geschuldet, allen
voran dem Eindringen des Islam seit dem 8. nachchristlichen Jahrhundert. Es ist also kein Zufall, dass etwa die sieben Chakras
– jene körperlichen »Hauptenergiezentren«, auf die sich die hinduistisch-tantrische Meditation im Wesentlichen richtet – ihre
Entsprechung in den sieben
La’aif
des asketisch-islamischen Sufismus finden, der sich ab dem 12. Jahrhundert in Nordindien etablierte.
Thailändische Buddhafigur
Eine von Judentum und fernöstlichen Wiedergeburts-Vorstellungen kaum beeinflusste Hochkultur des fünften bis zweiten vorchristlichen
Jahrhunderts fand sich in der griechischen Antike, als deren höchste Instanz in religiösen Fragen das dem Gott Apollon gewidmete
Orakel in Delphi galt. Kaum ein Gott des weltmythologischen Pantheons istauf vergleichbare Weise mit der Sieben verbunden wie der griechische (und später römische) Gott des Lichts, der Heilkunst,
des Frühlingserwachens, der Weissagung, der sittlichen Reinheit, der Mäßigung und der Künste. So hatten der griechischen Mythologie
zufolge sieben singende Schwäne sieben Mal die Insel Delos umkreist, bevor
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