Sieben
Unsterblichen kurzerhand
auf diese siebenteilige Erde
hinabsteigen, um besagten Lügendämon
mit einem Schlag von den sieben Karshvars zu treiben
– heißt: aus jenen sieben »kosmischen« Zonen, die durch die sieben Tempelgeschosse der erwähnten Zikkurats symbolisiert wurden.
Wer nun allerdings meint, dass es in der heiligen zoroastrischen Schrift namens ›Avesta‹ (mittelpersisch: Grundtext) nun ähnlich
siebengeballt weiterginge wie in der Bibel, der sieht sich enttäuscht. Ganze fünf Mal gibt sich die Sieben in der ›Avesta‹
die Ehre, wenngleich – wie gelesen – in zutiefst mystischer Funktion.
Schon lange, bevor der Islam seinen Siegeszug antrat, lebten die Menschen im altpersischen Raum in der zoroastrischen Vorstellung
von den »sieben Amesha Spentas« – wie die leitenden Geister hießen – und war der Tod mit der Vorstellung von einem siebentägigen
Aufstieg der Seele gen Himmel verknüpft. Nicht von ungefähr kommt der Sieben in den auf »-an« (vom altaischen Herrschertitel
»Khan«) endenden Nachfolgestaaten Altpersiens auch abseits von Religion und Märchen besondere Prominenz zu. So ist es etwa
in vielen Gebieten üblich, für eine erkrankte Person aus sieben Häusern Essen herbeizuschaffen, damit der Patient aufs Rascheste
gesunde, und in Pakistan verhilft man dem künftigen Eheglück auf den Weg, indem am Brautkleid zunächst sieben glücklich verheiratete
Frauen die Schere anlegen. Andernorts pflegt man Speisen tunlichst aus siebenerlei Zutaten zuzubereiten (ähnlich dem deutschen
Kindereim: »Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen«), wie man im Übrigen die Schärfe anhand von sieben
scharf eingelegten Gemüsen (turush), sieben Schriftarten und sieben Sphären unterscheidet. Wer indes auf besonderes Glück
hofft, der achtet strikt darauf, dass er am »Nauruz« (= Frühlingsanfang) nicht mehr und nicht weniger als sieben Dinge im
Haus hat, die mit dem Buchstaben »S« beginnen.
Haben wir uns also bereits aus jenem historisch-geografischen Bereich entfernt, in dem die Sieben erstmals ihre heilige Kraft
entfaltete? Anders gefragt: Könnte es sein, dass die »magische Sieben« gar in der babylonischen Hochkultur des zweiten vorchristlichen
Jahrtausends ihre Wurzeln hat? Schließlich wurde im »babylonischen Exil« dieselbe Thora kanonisiert, deren Siebenhäufigkeit
sich in den übrigen Schriften des Alten Testaments, im Christentum und im Islam machtvoll in Szene setzte. Von den religiösen
Mythen sind es nur wenige Schritte zu den Legenden und Märchen, aus denen sich Spruchweisheiten ableiten, sich der Aberglaube
nährt und die Gebote der verinnerlichten Mystik zur gelebten weltlichen Ordnung führen – zu Kunst, Architektur und Literatur.
Haben wir uns also einer Antwort auf die Frage nach den historischen und geografischen Wurzeln der »magischen Sieben« bereits
genähert?
Wenn ja, so müsste sich die Mystik der Sieben, die sich in den heiligen Texten des vorislamischen Persiens wie gesehen nur
schwach entfaltet, 3000 Kilometer weiter östlich mehr oder weniger verloren haben. Reisen wir also ein Stück weiter der Sonne entgegen, hin zu jenem
Subkontinent, den die Babylonier ihrerseits als »Orient« ansahen und der zu jener Zeit noch nicht »Indien« hieß, sondern sich
in unterschiedliche Kulturbereiche mit deutlichem Nord-Süd-Gefälle gliederte.
Etwa um das Jahr 2800 vor Christus hatte sich unter dem Einfluss der aus dem Norden zuwandernden Indogermanen (Arier) die
vormals ländlich-dörfliche Struktur zu wandeln begonnen, es entstanden erste Städte und es erblühte schließlich im Laufe des
zweiten vorchristlichen Jahrtausends eine Hochkultur, die mit jener in Mesopotamien spielend mithalten konnte. So verschmolzen
importierte Glaubenselemente mit den im Industal etablierten Kulten zu einer neuen, von »westlichen« Glaubenselementen weitgehend
unbeeinflussten Religion.
Die im Industal von »Rishis« (= Weisen) überlieferten Hymnen, Lieder und magischen Formeln galten schon lange, bevor sich
etwa jüdische Schriftgelehrte daranmachten, ihren Glauben in einer heiligen Schrift zu manifestieren, als Glaubensgrundlage.
Älteste der zunächst im mündlichen Wortlaut, später schriftlich überlieferten Veden (Veda = Wissen) war die ›Rigveda‹ – eine
in zehn Mandalas (Liedkreise) gegliederte Sammlung von über tausend Hymnen. Wie aber haben es jene, denkbar weit von Babylon
angesiedelten
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