Siebenmeter fuer die Liebe
hinunter. »Ich glaube, das ist nicht so wild. Aber er muss sowieso wieder geimpft werden, deshalb habe ich heute Nachmittag einen Termin beim Tierarzt gemacht. Dann kann er sich das Bein gleich angucken. So, und jetzt kommt essen.«
Der nächste Tierarzt hat seine Praxis neben einem Einkaufszentrum. Ich brauche neue Schnürsenkel für meine Turnschuhe und ein Geschenk für Ellen, sie hat nächste Woche Geburtstag. Anton darf sich ein Buch kaufen, weil er tatsächlich eine Eins im Diktat hat, also beschließt meine Mutter, dass wir alle zusammen mit dem Kampfkater fahren.
Das Wartezimmer ist brechend voll. So voll, dass zwei Frauen mit einem Hamsterkäfig schon stehen müssen. Meine Mutter sieht sich etwas ratlos um und geht zur Rezeption. Wir folgen ihr, ich trage den Transportkorb mit dem beleidigten Mr Bean.
»Entschuldigung, ich habe einen Termin um 15 Uhr, das dauert wohl länger, oder?«
|140| Die Empfangsdame wirft erst einen Blick auf ihren Planer, dann ins Wartezimmer. »Frau Hansen? Mit einem verletzten Kater?«
»Genau. Mr Bean.«
»Wie? Ach so. Ja, es tut mir leid, aber wir hatten zwischendurch einen Notfall. Sie müssen wohl eine knappe Stunde warten. Oder wollen Sie einen neuen Termin? Morgen?«
Sie ist nett, aber sie hat keine Ahnung, was es für ein Akt ist, unseren Kater in diesen Transportkorb zu bekommen. Mr Bean hasst dieses Teil. Sobald er es sieht, ergreift er panisch die Flucht. Wir haben zu dritt eine halbe Stunde gebraucht, um ihn hinter der Waschmaschine zu finden und rauszuzerren. Dann noch mal eine halbe Stunde, um seine Vorderbeine zusammenzuklappen, die er immer rechts und links vor die Öffnung stemmt. Und als er endlich fauchend und stinksauer in dem Korb saß, mussten wir uns noch gegenseitig verpflastern. Ich habe drei Kratzer am Unterarm, meine Mutter fünf auf beiden Händen. Anton hatte Glück, er hat nur eine ganz kleine Schramme an der Schulter.
Mr Bean macht gurgelnde Geräusche, meine Mutter guckt ihn an und sagt: »Auf gar keinen Fall. Es sei denn, ich lasse ihn bis morgen im Korb.«
»Mama.« Ich finde, das geht zu weit. Schließlich ist er verletzt. Und ein Held. Auch wenn er im Moment nicht so aussieht. »Er kann doch nicht 24 Stunden da drin hocken.«
|141| »Ich habe aber keine Lust, mir diesen Stress innerhalb 24 Stunden zweimal anzutun. Nein, da warte ich lieber eine Stunde.«
Anton zieht mich am Ärmel. »Aber wir können nicht sitzen. Und ich will nicht neben dem großen Hund stehen.« Er zeigt auf eine schwarze Dogge, die diagonal im Raum steht und leise vor sich hin knurrt. Sehr sympathisch finde ich dieses Kalb auch nicht.
»Mama, kann ich nicht schon mit Anton ins Einkaufszentrum gehen? Wir kaufen Schnürbänder und gehen in die Buchhandlung. Und dann kommen wir wieder her. Okay?«
Anton hüpft begeistert auf der Stelle, meine Mutter guckt skeptisch. Die Riesendogge fühlt sich durch meinen kleinen Bruder anscheinend irritiert, fletscht die Zähne und bellt in seine Richtung, was die Besitzerin nur dazu bringt, an der Leine zu zerren und zu sagen: »Müssen die Kinder auch noch rumhopsen? Hier ist doch kein Spielplatz.«
Ein frostiger Blick meiner Mutter bringt sie zum Schweigen, nach kurzem Nachdenken sagt Mama: »Na gut. Hast du dein Handy mit, für alle Fälle?«
Ich zeige es ihr, sie gibt mir zwanzig Euro und guckt auf die Uhr. »Es ist jetzt kurz vor drei, ihr seid spätestens um Viertel vor vier wieder hier, falls ich früher drankomme, warte ich. Und nimm Anton an die Hand.«
Sofort schiebt sich seine etwas klebrige Hand in meine, wir drücken uns am Riesenkalb vorbei und laufen ins Einkaufszentrum.
|142| Die Buchhandlung ist direkt am Eingang, Anton zieht mich sofort in den Laden, er will gleich sein »Wilde Fußballkerle«-Buch.
»Ich weiß, wo die stehen.« Er legt solch ein Tempo vor, dass ich kaum mitkomme. Mich hat er losgelassen, ich glaube, es ist ihm peinlich. Erleichtert lasse ich ihn, meine Hand ist schon ganz klebrig.
In der Kinderbuchabteilung geht er zielstrebig zum richtigen Regal, nach fünfzehn Sekunden hat er das Buch in der Hand. »Guck, Band sechs. Das ist es. Wo ist die Kasse?«
Nach dem Bezahlen muss ich ihn mit Engelszungen überreden, das Buch in der Tüte zu lassen. Am liebsten würde er sofort anfangen zu lesen, hier und gleich.
»Anton, steck das weg, sonst trage ich die Tüte. Wir gehen jetzt Schnürbänder kaufen, guck mal, da ist ein Sportgeschäft, da kriegen wir die, und du kannst dir
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