Siebenmeter fuer die Liebe
Wenigstens hat sie eine normale Jeans, einen |132| normalen Kapuzenpulli und normale Turnschuhe an. Und sie ist nicht geschminkt. Na ja, kaum. Sie dreht ihren Kopf von uns weg und sieht aus dem Fenster. Unauffällig beobachte ich sie. Sie sieht eigentlich ganz anders aus als Vanessa Purschke, ich weiß gar nicht mehr genau, wieso ich sie überhaupt mal ähnlich fand. Vielleicht wegen der rosa Glitzerklamotten und der Haarspangen. Aber so wie jetzt sieht sie ganz anders aus. Als wenn sie meine Gedanken gehört hätte, dreht sie sich zu mir um. »Sag mal, Paula, willst du eigentlich nicht mal ein bisschen mit uns trainieren?«
»Wie? Ich meine, wieso?«
Johanna antwortet an ihrer Stelle. »Damit du auch schneller fit wirst. Du kommst sonst nicht so richtig mit.« Sie wird rot, das ist ihr jetzt selbst peinlich. »Ich meine nur, Julius kann echt richtig gut Handball spielen und das auch gut erklären. In einer Stunde pro Woche lernt man ja nicht so richtig viel. Und wir treffen uns zweimal die Woche und üben. Ganz locker, das macht Spaß.«
Mir fällt so schnell keine Antwort ein, zum Glück steigt in diesem Moment Frieda in den Bus, schiebt sich durch den Gang und lässt sich neben Jette sinken. »Hallo, ich bin ein bisschen spät losgegangen. Um was geht’s?«
»Jette hat vorgeschlagen, dass Julius mir das Handballspielen beibringt. Zweimal die Woche.«
Frieda guckt erst mich, dann Jette, dann wieder mich an und fragt: »Wozu?«
|133| Und Jette schüttelt nur den Kopf und winkt ab. Dabei war die Frage gar nicht doof.
Eine halbe Stunde später kommen wir in der Color Line Arena an. Wir haben richtig gute Plätze, in der Mitte, ziemlich unten, genau hinter einer der Auswechselbänke. Wir können sogar die Spieler reden hören, also zumindest, wenn sie sehr laut reden. Aber trotzdem tolle Plätze.
Ich sitze zwischen Frieda und Jette, genau hinter mir sitzen Julius und Johanna und vor mir Florian Hoffmann. Das hat sich so ergeben, die Plätze sind nummeriert und ich habe leider nicht drauf geachtet, wer hinter mir ist. Pech! Aber dafür ist meine Welt vor mir in Ordnung, man kann nicht alles haben.
Die Spieler machen sich warm. Während Jette auf den Torwart starrt, dem einer der Trainer die Bälle nur so um die Ohren haut, holt Frieda ein Fernglas, einen Notizblock und einen Stift aus ihrem Rucksack und legt sich alles auf ihren Schoß.
Florian Hoffmann dreht sich zu uns um und fragt: »Was hast du denn vor, Frieda?«
Sie sieht ihn freundlich an und antwortet: »Ich habe mir die letzten Spiele im Fernsehen angesehen und einige Statistiken gemacht. Hier gibt es ja keine Zeitlupenwiederholung, da muss ich alles gleich notieren.«
Herr Hoffmann schluckt und wendet sich wieder dem Spielfeld zu. Ich merke plötzlich, dass ich mit den Beinen wippe, und schlage sie schnell übereinander. |134| Dabei sind meine Sitznachbarinnen so auf das Geschehen auf dem Spielfeld konzentriert, dass sie noch nicht mal merken würden, wenn ich hier einschlafen würde. Beruhigt kann ich mich wieder meinen Lieblingsspielern vom THW Kiel widmen. Es merkt keiner, wie ich sie mit den Blicken verfolge.
Nach der ersten Halbzeit führt Kiel mit drei Toren, 16: 13. Frieda hat zwei Seiten vollgekritzelt, Namen, Kreuze, Pfeile und Zahlen, Jette sieht überhaupt nicht mehr gelangweilt aus, Florian Hoffmann vor mir hat einige Spielzüge erklärt, leider hat auch Julius dasselbe hinter mir getan und ich habe mir fast meine Unterlippe zerbissen, um nicht alle drei Minuten irgendetwas zu schreien oder zu kommentieren. Ich habe es aber geschafft.
In der Halbzeitpause stehen wir vor einem Getränkestand. Marie und Kathi haben einige Schiedsrichterentscheidungen und Spielzüge nicht begriffen, Frieda steht ruhig in der Mitte und erklärt es ihnen ganz sicher und geduldig. Selbst Florian Hoffmann, der dazukommt, bringt sie nicht aus der Ruhe. Als sie fertig ist, sieht sie ihn an. »Und? Habe ich etwas vergessen?«
»Nein«, er nickt anerkennend, »das hätte ich nicht besser erklären können. Frieda, ich glaube, ich mache dich zu meinem Taktik-Coach.«
Sie lächelt stolz.
Ein Stück weiter stehen Jette und Thorben zusammen. Ich habe Jette gesucht, sie hatte ihr Tuch auf |135| ihrem Platz liegen lassen. Als ich in Hörweite bin, erzählt Thorben Jette gerade, wer Florian Hoffmann eigentlich ist. Jette ist total beeindruckt. Sie dreht sich zu mir. »Ach, mein Tuch, danke. Wusstest du, dass Hoffmann selbst Bundesliga gespielt hat?«
Was
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