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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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zog die Plane fort. »Ich würde sagen, ja.«
    »Sie ist es«, nickte Em, überrascht, welch widersprüchliche Gefühle das unerwartete Wiedersehen mit der vermeintlichen Gattenmörderin in ihr auslöste. Gefühle, die sie auf keinen Fall zulassen durfte, das wusste sie.
    Sarah Kindles Augen waren geöffnet und schienen sie intensiv anzuschauen. Fast so, als wollten sie sagen: Na schön, da liege ich nun. Und was ist mit dir? Wirst du mit derselben Energienach meinem Mörder suchen, mit der du nach einem Beweis für meine Schuld gesucht hättest?
    Ja, gab Em ihr im Stillen zur Antwort. Das werde ich. Ich verspreche es.
    »Alles klar?«, fragte Zhou hinter ihr.
    »Na sicher.« Em zog die Nase hoch, während ihre klammen Finger ihre Jackentaschen nach einem Taschentuch absuchten. »Todesursache?«
    »Ein Schuss in die Schläfe«, antwortete Dr. Bechstein. »Genau wie bei Jenny Dickinson.«
    Bloß dass er Sarah Kindle noch länger in seiner Gewalt hatte, dachte Em und griff nach dem Taschentuch, das Zhou ihr hinhielt. Seltsamerweise musste sie ausgerechnet jetzt daran denken, was Raya Hosseini gesagt hatte: Ich saß auf der Terrasse und hielt die Hand meiner toten Schwester …
    »Wie hat er sie hergeschafft?«, fragte Zhou, die inzwischen neben der Bande der Eisbahn in die Hocke gegangen war, um sich die Leiche auch von der Seite anzusehen.
    »Getötet hat er sie definitiv woanders.« Dr. Bechsteins Gesicht wirkte in der Kälte des Morgens noch kleiner als sonst. »Aber man kommt schon relativ dicht an die Bahn ran …«
    »Die Taxifahrer sagen, dass hier immer wieder mal Autos ranfahren, um irgendwas anzuliefern oder abzuholen«, pflichtete der Uniformierte, der Em geführt hatte, der Gerichtsmedizinerin bei.
    »Auch nachts?«, fragte Em.
    »Hin und wieder.«
    »Aber damit hatte er sie immer noch nicht auf dem Eis«, konstatierte sie trocken, während ihr Blick den Taxistand im Schatten der Alten Oper streifte. Vielleicht hatten sie dieses Mal Glück. Vielleicht gab es hier einen Zeugen.
    »Sehen Sie sich mal ihre Kleidung an«, sagte Zhou. »Sie trägt einen bodenlangen schwarzen Mantel mit Kapuze.«
    »Der in keiner Weise zu ihr passt«, nickte Em, die verstand, worauf ihre Kollegin hinauswollte.
    »Vielleicht hat er sich einen ihrer Arme um die Schultern gelegt und so getan, als ob er sie stützt.« Zhou kniff die Augen zusammen. »Unter dem Mantel würde nicht auffallen, dass sie gar nicht selbst läuft, sondern geschleift wird. Und von Weitem würde es vermutlich so wirken, als ob zwei Betrunkene unterwegs sind.«
    »Wenn er sportlich ist und sich ein bisschen geschickt anstellt, wäre das durchaus möglich«, erklärte Dr. Bechstein. »Aber es ist natürlich trotzdem ein ziemlicher Akt. Ein schlaffer Körper ist bleischwer.«
    Em sah noch immer zum Taxistand. »Der Mantel könnte auch noch einen anderen Sinn haben …«
    »Nämlich?«
    »Wenn die Totenstarre noch nicht ausgeprägt war, hätte er sie darin wie in einem Sack transportieren können. Vielleicht sogar mithilfe einer Schubkarre.« Sie blickte Dr. Bechstein fragend an.
    »Sie ist tatsächlich erst vier, maximal fünf Stunden tot«, nickte diese. »Und besonders groß ist sie auch nicht.«
    »Eins dreiundsechzig«, ergänzte Zhou, was sie aus der Vermisstenanzeige wussten.
    »Fragen Sie, ob irgendjemand was gesehen hat, das dazu passen würde«, rief Em einem der beiden Einsatzleiter zu.
    Der Mann nickte.
    »Brauchen Sie den Tatort noch?«, fragte Dr. Bechstein.
    Em schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe alles gesehen, was ich sehen muss.«
    »Gut, dann machen wir sie mal transportfertig.« Sie winkte ihren Mitarbeitern, die Bahre mit dem Leichensack zu bringen.
    »Seien Sie mir nicht böse, aber das brauche ich heute früh wirklich nicht«, stöhnte Em und machte sich eilig auf den Weg zu einer Gruppe von Spurentechnikern, die ein Stück entfernt zugange waren. »Kommen Sie mit?«, rief sie über die Schulter und meinte Zhou.
    Dr. Bechstein schüttelte amüsiert den Kopf, während Mai Zhou sich beeilte, zu ihrer Partnerin aufzuschließen.
    »Fragen Sie gar nicht erst«, winkte eine Mittvierzigerin im schneeweißen Schutzanzug ab, als die beiden Ermittlerinnen auf sie zukamen. »Bis wir hier durch sind, ist Frühling …«
    »Das heißt, die Bahn bleibt gesperrt?«, fragte Em.
    Die Frau nickte. »Wird bestimmt der Brüller, so kurz vor dem Wochenende.«
    »Tja.« Em zuckte die Schultern. »Nicht zu ändern.«
    »Capelli!« Das war Dr. Bechstein, und

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