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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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ein einziges Mal im Leben zu sehen bekam. Danach war man tot …
    »Ich bin in eine andere Abteilung versetzt worden.«
    »Dein Wunsch?«
    »Ja.«
    Wie war das noch gleich? Sie lächelte gequält. Gebt acht auf eure Wünsche, sie könnten in Erfüllung gehen!
    Liu Yuns Augen glitten über ihren verschwitzten Körper. Eine unverfängliche, aber peinlich genaue Musterung. Und obwohl Zhou wusste, dass sie in Form war, machte sein Blick sie unsicher.
    »Man hat dich hier lange nicht gesehen.«
    »Ich war in den USA.« Sie hatte ihm erzählt, dass sie nach Quantico fuhr, um zu lernen. Und sie war auch sicher, dass er sich daran erinnerte. »Beruflich.«
    »Und? Wie bist du mit deinem Training zufrieden?«
    Du meinst mit dem Training, das du gerade beendet hast?,gab sie im Stillen zurück, und sie sah es in seinen Augen, dass er ihre Gedanken gelesen hatte. »Ich muss wieder mehr tun«, analysierte sie selbstkritisch.
    Liu Yun verzog keine Miene.
    Das Training ist nicht das Problem. Und das weißt du.
    »Hast du mit diesen Morden zu tun, von denen berichtet wird?«
    Sie nickte.
    »Dein erster Fall hier?«
    »Ja.«
    Er nickte auch und wandte sich ab. »Vergiss nicht, dass in allem, was wir tun, auch unsere innere Verfassung zum Tragen kommt.« Sie sah ihm nach, wie er die stählernen Stufen hinaufstieg. Auf halber Höhe drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Und Zorn ist dabei der denkbar schlechteste Ratgeber.«
    Jetzt klingt er wie mein Vater, dachte sie bitter. »Auf wen sollte ich zornig sein?«, gab sie fröhlich zurück, vor allem, weil sie seine Antwort hören wollte.
    Doch es fiel Liu Yun nicht ein, den Köder zu schlucken. »Bring das in Ordnung«, sagte er nur. »Und erst danach komm wieder …«

FÜNF

    Beobachte, wie er handelt,
    betrachte seine Motive
    und untersuche, worin er seine Ruhe findet.
    Konfuzius

Freitag, 23. November
1
    Gegen drei Uhr in der Frühe glich die Große Bockenheimer Straße der Hauptlebensader einer Geisterstadt. Die zahllosen Cafés, Restaurants und Feinkostgeschäfte waren verwaist, hier und da konnte man im Dunkel der Hauseingänge einen schlafenden Obdachlosen erahnen. Es schneite nicht, doch der eisige Wind, der durch die alten Platanen fegte, roch entschieden so, als ob sich das bald ändern würde.
    Elina Borgmann war fünfzehn und für diese Uhr- und Jahreszeit entschieden zu dünn gekleidet. Der winzige schwarze Strickrock, den sie trotz seines rustikalen Materials total sexy fand, reichte ihr kaum bis über den Po, und auch die puderfarbene Kunstfellweste, die sie über ihrem hauchzarten T-Shirt trug, vermochte sie nur unzureichend gegen die Kälte zu schützen. Die Folge war, dass Elina alle Mühe hatte, ihr Zähneklappern zu verbergen.
    Sie blickte verstohlen auf die Uhr und dachte, dass sie einen Heidenärger kriegen würde, falls ihrer Mutter auffiel, dass sie noch nicht im Bett lag. Ärger und eine dicke Erkältung obendrein. Doch ihrem Freund zu sagen, dass sie früher wieder heimwolle, hatte sie einfach nicht übers Herz gebracht. Marcel sollte auf keinen Fall glauben, dass man mit ihr keinen Spaß haben konnte. Immerhin war er schon siebzehn und von seinen Altersgenossinnen vermutlich ein ganz anderes Durchhaltevermögen gewöhnt. Allerdings war er auch deutlich wärmer angezogen …
    Elina seufzte und kuschelte sich enger an seinen durchtrainiertenKörper, der aus jeder Pore behagliche Wärme verströmte. Sie waren jetzt seit einer knappen Woche zusammen, und noch immer konnte sie ihr Glück kaum fassen. Dass ein derart beliebter, gut aussehender Junge sich ausgerechnet für sie interessierte! Allein der Gedanke half, die Kälte für einen Moment zu vertreiben.
    Marcel roch noch immer nach dem Aftershave, das sie früher an diesem Tag in einem Einkaufszentrum ausprobiert hatten. Über dem Bund seiner tief sitzenden Jeans blitzte eine schwarze Calvin-Klein-Unterhose hervor, und Elina dachte, dass jede einzelne Sekunde dieser verbotenen Nacht ihren Preis wert war. Dumm nur, dass die Mädels sie jetzt nicht sehen konnten, so glücklich und obendrein Arm in Arm mit dem coolsten Typen der ganzen Schule!
    Leider benahm sich Marcel dort so ganz anders, als wenn sie miteinander allein waren. Fast so, als ob es ihm peinlich wäre, mit ihr gesehen zu werden. Sie hatte ihn schon mehrfach darauf angesprochen, doch er bestritt vehement, dass es in seinem Verhalten irgendeinen Unterschied gebe.
    »Weshalb sollte ich mich schämen?«, hatte er gemurmelt, ohne den Blick vom Display

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