Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
Vom Netzwerk:
ihre Stimme klang nicht beruhigend.
    »Ja?«
    »Kommen Sie mal!«
    Em tauschte einen Blick mit Zhou und rannte los. »Was gibt’s?«
    Anstelle einer Antwort hielt Dr. Bechstein ihr ein Beweistütchen aus Plastik entgegen. Darin befand sich ein Umschlag.
    Büttenpapier …
    »Das hier lag unter der Leiche.«
    »Dieser Scheißkerl!«, fluchte Em. »Ich wusste es!«
    »Es kommt noch besser.«
    Sie ahnte es bereits. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wusste sie Bescheid, bevor Dr. Bechstein es aussprach. Und doch lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken, als die Pathologin sagte: »Der Brief ist an Sie adressiert …«
    Eilig streifte Em sich Handschuhe über. Ihre Finger zitterten, als sie in die Tüte griff und den Umschlag herauszog. Doch ansonsten hatte sie sich einigermaßen im Griff. Sie roch Lavendel und war mit einem Mal heilfroh, dass Zhou dicht hinter ihr stand.
    Obwohl sie einander nicht berührten, konnte sie die Körperwärme ihrer Kollegin spüren.
    Signora Capelli, welche Freude!
    Automatisch hob Em den Kopf und sah sich um. Und auch Zhous Augen streiften suchend über den Platz.
    Er ist nicht hier. Em schluckte und versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Er würde es niemals wagen, sich hier herumzutreiben. Denk an die Taxifahrer. Und die Leute von der Stadtreinigung. Und an all die anderen. Er ist irgendwo an einem sicheren Ort und weidet sich an dem Gedanken, dich zu erschrecken …
    Sie winkte zwei uniformierte Beamte zu sich. »Nehmen Sie die Personalien auf von allen Leuten, die hier rumstehen. Und passen Sie auf dass sich keiner von denen unbemerkt aus dem Staub macht.«
    Die beiden Männer tauschten einen Blick. »Aber …«
    »Tun Sie’s einfach, okay?«
    »Natürlich«, sagte der ältere der beiden und zog seinen Kollegen mit sich fort.
    »Und Sie tun mir bitte den Gefallen und machen Fotos von diesen Leuten«, bat sie einen der Spurentechniker. »Aber unauffällig.«
    »Klar doch.«
    Em nickte und wandte sich wieder der Karte zu.
    Signora Capelli, welche Freude! Ich hoffe, Sie genießen die Umstände unseres Wiedersehens ebenso sehr wie ich …
    Unseres Wiedersehens, wiederholte etwas tief in ihr. Mein Gott, es ist jemand, den ich kenne.
    Er blufft, widersprach ihr Verstand. Lass dich nicht aufs Glatteis führen!
    Em bedachte die zerwühlte Fläche unter ihren Füßen mit einem sarkastischen Lächeln. Im wahrsten Sinne des Wortes …
    Ich hoffe, Sie genießen die Umstände unseres Wiedersehens ebenso sehr wie ich. Denn auch wenn die Maschen des Gesetzes nicht jedes Schlupfloch sicher zu verschließen vermögen, so bezahlt am Ende doch jeder, was er genossen hat, nicht wahr? Vor diesem Hintergrund bin ich gespannt, wie Ihre Strategie für die Zukunft lautet:Kooperation oder Verrat? Master oder Servant? Lösen Sie das Dilemma und treffen Sie Ihre Entscheidung, Signora! In diesem Sinn eine geruhsame Vorweihnachtszeit!
    Sie hatte die Karte so gehalten, dass auch Zhou sie lesen konnte. Jetzt, da sie geendet hatte, erkannte sie ihren eigenen Schrecken in den Augen ihrer Kollegin. »Adressaten aus Westens Umfeld sind offenbar passé«, sagte sie leise, aber bestimmt. »Ab sofort redet er direkt mit uns …«
    Mit Ihnen , korrigierten sie Zhous Augen.
    Sie hat recht, dachte Em. Dieser Scheißkerl hat mich ausgewählt. Mich ganz allein …
    Mai Zhous Augen klebten noch immer an ihrem Gesicht. Em sah Anspannung. Aber auch Sorge. Haben Sie bemerkt, dass er Ihnen droht?
    Sie nickte kaum merklich. Ja, habe ich.
    Und jetzt?
    Einen Moment lang standen sie einfach nur da und sahen einander an. Und seltsamerweise hatte Em tatsächlich das Gefühl, dass Zhou begriff, was in ihr vorging. Eigentlich klar, dachte sie. Wir machen den gleichen Job, sie und ich. Ganz egal, wie unterschiedlich wir auch sein mögen, was das angeht, verstehen wir uns.
    »Hier ist noch was, das Sie sich ansehen sollten«, meldete sich in diesem Moment Dr. Bechstein hinter ihnen zu Wort.
    Em drehte sich um, dankbar für die Ablenkung. »Ja?«
    »Sehen Sie!«
    Sarah Kindles Leiche lag noch immer auf dem Eis, doch Dr. Bechsteins Mitarbeiter hatten den Mantel geöffnet und die Kapuze zurückgeschoben.
    »Er hat ihr den Kopf geschoren?«
    Die Pathologin nickte. »Haben Sie eine Ahnung, wieso?«
    »Ihr Mann«, antwortete Em gedankenverloren. »Er war an Krebs erkrankt und stand kurz vor einer Chemotherapie, als er starb.«
    »Sarah Kindle war angeklagt, ihn ermordet zu haben«, ergänzte Zhou. »Aber der Prozess endete mit einem

Weitere Kostenlose Bücher