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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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»Womit ich nicht sagen wollte, dass Benjamin …«
    »Warum nicht?«, gab Em zurück. »Der ist da, weiß Gott, keine Ausnahme.« Sie zögerte, bevor sie bitterböse hinzufügte: »Und auch sonst nicht.«
    Doch Decker bekam die Bemerkung nicht mehr mit, denn inzwischen hatte er einen Gesprächspartner am Telefon.
    »Weißt du zufällig auch, warum Sarah Kindle an diesem Nachmittag noch mal bei Kubilay gewesen ist?«, wandte Em sich wieder an Gehling.
    »Er sagt, dass noch ein paar Formalitäten zu erledigen waren.« Gehling warf einen Blick auf die Notizen, die er sich wie immer auf kleinen gelben Haftzetteln gemacht hatte. »Und außerdem beschuldigten Eberhard Kindles Töchter Sarah offenbar, ein Testament ihres Mannes gestohlen oder zumindest verschwinden lassen zu haben.«
    »So?«
    »Ja. Angeblich hatte Kindle von den Affären seiner Frau erfahren und daraufhin sie, also die Töchter, zu Alleinerben eingesetzt.« Er zuckte die Achseln. »Kubilay sagt, dass Sarah über die Anschuldigungen höchst erbost gewesen ist und ihren Stieftöchtern im Gegenzug nicht mal den Pflichtteil zubilligen wollte. Außerdem erwog sie offenbar, über die üblichen Tagessätze hinaus Schadensersatz vom Staat zu fordern, weil sie so lange unschuldig hinter Gittern gesessen hatte.«
    »Ha!«, rief Em. »Das nenn ich aber mal Humor!«
    Zhou verkniff sich ein Lächeln.
    Gehling beförderte seinen Zettel als abgearbeitet in den Papierkorb. »Wie auch immer, Kubilay hat jedenfalls abgelehnt, sie in diesen Angelegenheiten zu vertreten.«
    »Klar.« Em griff unter ihren Schreibtisch, wo sie immer eine Flasche Mineralwasser stehen hatte, und trank einen Schluck. »Der Mann ist Strafverteidiger.«
    »Nicht nur das.« Gehling grinste. »In unserem Gespräch hat er auch nicht den geringsten Hehl daraus gemacht, dass er Sarah Kindle nicht ausstehen konnte.«
    Sie stellte die Flasche weg. »Damit war er nicht allein …«
    »Capelli!«, rief in diesem Augenblick Walter Schmäh von einem der anderen Schreibtische.
    »Was gibt’s?«
    »Die Pforte hat gerade angerufen. Dr. Westen ist jetzt da.«
    Angesichts der Sachlage hatten sie den Psychologen zu einem Gespräch ins Präsidium bestellt. Doch Em hatte ihre Zweifel gehabt, dass er erscheinen würde. »Ich bin hier sofort fertig«, rief sie Schmäh zu. »Wir …«, korrigierte sie sich eilig. »Sei so gut und setz ihn unterdessen in die Drei, ja?«
    Schmäh nickte.
    »Und was sagt das Labor zu Sarah Kindles Mantel?«, fragte sie und hatte das unbequeme Gefühl, langsam, aber sicher den Überblick zu verlieren. »War da irgendwas, das uns einen Hinweis auf die Herkunft geben könnte?«
    »Fest steht, dass es kein normaler Mantel ist, sondern ein Kostüm«, antwortete Gehling.
    »Du meinst für die Bühne?«
    »Genau. Wir haben bereits Fotos an alle umliegenden Theater geschickt. Die sollen ihre Kostümbildner fragen, ob ihn vielleicht jemand wiedererkennt. Dasselbe gilt auch für die Kostümverleihe in der Stadt.«
    »Gute Idee. Und sonst?«
    »Die Kollegen sind noch dabei, sämtliche Passanten zu überprüfen, die ihr an der Alten Oper erfasst habt. Und …« Er unterbrach sich. »Augenblick, hier kommt gerade eine Mail aus der Gerichtsmedizin rein …«
    Em wippte ungeduldig mit dem Fuß, während er las.
    »Der toxikologische Schnelltest hat ergeben, dass Sarah Kindle intravenös ein Medikament namens Carboplatin verabreicht worden ist.«
    Vor Ems innerem Auge blitzte flüchtig das Bild des kahl geschorenen Schädels auf. »Lass mich raten«, sagte sie. »Ein Chemotherapeutikum?«
    »Jep.«
    Sie pfefferte einen Kugelschreiber quer über den Tisch. »Dieser Scheißkerl ist gründlich!«
    Unterdessen flogen Gehlings Finger mit ungebremster Intensität über die Tastatur seines Rechners. »Bemerkenswert ist, dassman das Zeug nicht bei der Art von Krebs einsetzt, an der Eberhard Kindle litt.«
    »Sondern?«
    »Bei Bronchialkarzinomen. Bei Brust- und Eierstockkrebs. Und vereinzelt auch bei Tumoren an den Hoden.«
    »Und Kindle hatte Kehlkopfkrebs«, murmelte Em.
    »Vielleicht hat er nichts anderes bekommen«, mutmaßte Zhou. »Solche Medikamente kann man ja nicht einfach so kaufen. Folglich musste er vielleicht etwas nehmen, auf das er aus irgendeinem Grund Zugriff hatte.«
    Em starrte sie an. »Sie haben recht! Und das wiederum bedeutet, dass er das Zeug nicht in einer Apotheke geklaut hat. Oder aus einem Krankenhaus. Denn bei freier Auswahl hätte ein Typ mit seiner Detailtreue unter Garantie das

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