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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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aber sie hatte zu viel zu tun.«
    Zhou kniff prüfend die Augen zusammen. War das ein Anflug von Bitterkeit in seiner Stimme?
    »Wie war Sarahs Stimmungslage?«
    »Gut. Sie …« Eine plötzliche Erinnerung ließ ihn stutzen. »Ja, genau, sie hatte gerade mit ihrem Anwalt telefoniert.«
    »Mit Kubilay?«
    »Ja. Aber woher …?«
    »Ich habe sein Schlussplädoyer gehört«, versetzte Capelli lapidar. »Aber weiter im Text: Was hat sie gesagt?«
    »Nicht viel.« Er tastete nach seinem Verband, während er überlegte. »Dass sie einen Brief bekommen hätte. Vom Anwalt ihrer Stieftöchter.«
    »Worum ging es dabei? Ums Erbe?«
    »Ja.«
    »Ist da was strittig?«
    Sein Gesicht wurde immer grauer, und er sah aus, als würde er jede Sekunde mitten auf den Tisch kotzen. »Ich weiß nicht genau. Sie sprach nicht viel darüber. Aber sie … Sie hatten kein gutes Verhältnis.«
    »Entschuldigen Sie mich kurz«, sagte Capelli und verließ den Raum. Als sie zurückkehrte, war sie noch aggressiver als zuvor. »Sie lügen!«, fuhr sie Kendrich an.
    »Nein! Wieso sollte ich?«
    »Unsere Kollegen sind bereits in der Villa Ihrer Freundin. Aber sie haben keinen Brief gefunden. Weder von einem Anwalt noch von den Stieftöchtern selbst. Und der Anwalt, den Karoline und Tanja Kindle beauftragt haben, hat mir gerade eben am Telefon ziemlich glaubhaft versichert, dass er zum fraglichen Zeitpunkt auch keinen geschrieben hat.«
    »Das verstehe ich nicht …« Kendrich vergrub das Gesicht in den Händen.
    Er kippt uns um, warnte Zhou stumm.
    Mir doch egal, gab Capelli zurück.
    »Sarah hat aber doch gesagt, dass sie …« Er war noch immer fassungslos. »Sie hat noch an dem Morgen gesagt, dass sie um jeden einzelnen Löffel kämpfen will. Und …« Er unterbrach sich erneut und seine Augen nahmen einen neuen Ausdruck an.
    »Woran denken Sie?«, fragte Capelli alarmiert.
    »Das ist seltsam«, entgegnete er zerstreut. »Sarah war eigentlich sehr ordentlich. Aber am Abend zuvor ist ihr schon mal was Ähnliches passiert …«
    »Was?«
    Er antwortete nicht, sondern saß nur kopfschüttelnd da.
    »Was ist am Abend vor Sarahs Verschwinden passiert?«, wiederholte Capelli mit Nachdruck.
    »Sie hatte eine Visitenkarte verlegt. Und … Oh Mann, das hatte ich ganz vergessen!«
    »Was für eine Visitenkarte?«
    »Irgendein Anwalt hatte sie ihr gegeben. Jemand, der auf Erbrecht spezialisiert war, glaube ich. Und Sarah … na ja, sie wollte ihn fragen, was sie wegen des Pflichtteils unternehmen kann, aber dann konnte sie seine Karte auf einmal nicht mehr finden.«
    Capelli runzelte die Stirn und blickte Zhou an. Wonach klingt das für Sie?
    Nach einer Spur, gab Zhou ihr stumm zur Antwort, während sie unweigerlich an die Einladung denken musste, die Jenny Dickinson angeblich von Sander Westen erhalten hatte. Für mich riecht das nach einer richtig heißen Spur …
    »Wissen Sie, woher Ihre Freundin diesen Mann kannte?«, wandte Capelli sich wieder an ihren Zeugen.
    Doch Manuel Kendrich sah Zhou an. »Wenn ich sie richtig verstanden habe, hat er Sarah aufgesucht.« Sein Lachen klang hohl. Vielleicht traute er seinen eigenen Erinnerungen nicht mehr. »Kurz bevor ich kam.«
    Capelli riss den Mund auf. »Sie meinen, der Kerl war in diesem Motel?«
    »Ja.« Er nickte. »So hat sie es mir jedenfalls erzählt …«
4
    »Die haben doch unter Garantie Kameras dort, oder?«
    Decker hing bereits am Telefon. »Ich kläre das.«
    »Falls ja, brauche ich sämtliche Aufnahmen«, rief Em. »Und zwar von Sarah Kindles Entlassung bis zu dem Moment, wo sie und ihr Freund wieder ausgecheckt haben.«
    Er nickte.
    »Sie könnte den Mann auch woanders getroffen haben«, wagte Zhou einen Einwand. »Was solche Dinge angeht, scheint sie ihrem Freund nicht immer die Wahrheit erzählt zu haben.«
    »Das hätte ich an ihrer Stelle auch nicht«, bekannte Em. »Das Zeitfenster ist trotzdem nicht allzu groß. Immerhin ist Sarah erst am Tag zuvor entlassen worden.«
    »An dem betreffenden Nachmittag war sie übrigens auch bei ihrem Anwalt.« Gehlings Tastatur glühte förmlich. »Also bei ihrem Verteidiger im Prozess.«
    »Cevik Kubilay«, nickte Em.
    »Kennst du ihn?«, fragte Decker, der noch immer auf sein Gespräch wartete.
    Sie bejahte. »Fähiger Mann. Wenn auch gänzlich skrupellos.«
    »Das sind diese Anwälte doch irgendwie alle, oder?«, gab er zurück, und erst als der Satz heraus war, schien ihm klar zu werden, dass man die Bemerkung ebenso gut auch auf Ems Ex beziehen konnte.

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