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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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wäre jetzt sechsundzwanzig. Westen starrte die Tischkante an. »Beschreib ihn mir.«
    »Wie bitte?«
    »Wie sieht er aus?«
    »Hübsch.«
    Das ist wahnsinnig hilfreich, dachte er sarkastisch. Hübsch … »Blond oder dunkelhaarig?«
    »Dunkel.«
    Gut, Haare konnte man färben. Aber war Marius Norén ein hübscher Junge gewesen? Einer, von dem er angenommen hatte,dass er einen gut aussehenden Mann abgeben würde, später? Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht. Schließlich war Marius ein Kind gewesen. Ein zwölfjähriger Junge. Da zählten solche Dinge nicht. Oder? »Was hat er für Augen?«
    »Du meinst Jan?«
    Er nickte, und als ihm klar wurde, dass sie ihn nicht sah, sagte er: »Ja, ich meine Jan.«
    Seine Exfrau überlegte. »Keine Ahnung. Daran ist mir nichts aufgefallen.«
    Dann ist es nicht Norén, dachte Westen mit einem Anflug von Erleichterung.
    »Er sieht wirklich gut aus«, wiederholte Dana ein wenig unsicher. Vielleicht, weil sie nichts über Jan Perssons Augen zu sagen wusste. Vielleicht auch, weil sie dieses Gespräch im Grunde ihres Herzens gar nicht führen wollte. Und dann kippte ihre Stimmung plötzlich. Von einer Sekunde zur anderen gefror die Leitung zu Eis. »Entschuldige, dass ich dich damit belästigt habe«, sagte sie geradezu beleidigend förmlich. »Wird nicht wieder vorkommen.«
    »Dana!«, rief er, bevor sie auflegen konnte.
    »Was?«
    »Wie … wo ist er eigentlich zurzeit?«
    »Wer?«
    Er wollte »unser Sohn« sagen. Dann allerdings entschied er sich doch lieber für: »Marlon.«
    »Seit wann interessiert es dich, wo er ist?« Schnippisch wie immer, aber er hörte auch noch etwas anderes hinter ihrer aggressiven Fassade. Und erschreckt stellte er fest, dass es Angst war.
    Sie hat genauso viel Angst wie du selbst. Und sie hatte schon immer sehr gute Instinkte.
    »Bitte, Dana«, drängte er. »Sag es mir einfach, okay?«
    »Wo sollte er schon sein? Es ist Semester …«
    Er nickte. »Hat er noch dieses WG-Zimmer?«
    »Schon lange nicht mehr.«
    »Sondern?«
    Sie stöhnte entnervt auf. »Er hat jetzt eine kleine Wohnung im Westend.«
    »Wie finanziert er die?«, hörte er sich fragen, bevor er etwas dagegen unternehmen konnte, und er erhielt genau die Antwort, die er befürchtet hatte.
    »Das kann dir doch egal sein.«
    »Ist es aber nicht.«
    »Wieso?« Sie stand kurz davor zu explodieren. Und bei ihrem Temperament wusste er genau, was das bedeutete. »Du zahlst doch sowieso keinen Unterhalt mehr.«
    »Es könnte auch noch andere Gründe geben, warum es mir nicht egal ist.«
    »Ha!«, machte sie so abfällig, dass er zusammenzuckte.
    »Ich meine es ernst.«
    Sie hielt kurz inne, und automatisch musste Westen an ein Zitat denken, das er vor Kurzem gelesen hatte: Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Wenn eine Frau zurückweicht, dann nur, um Anlauf zu nehmen …
    »Dein Sohn spielt noch immer sehr gut und sehr gerne Basketball«, klang es wie zur Bestätigung in diesem Augenblick aus dem Hörer. »Wenn du dich also dafür interessierst, wo er sich rumtreibt, versuch’s doch mal in seinem Club, falls du eine Ahnung hast, welcher das ist.«
    Dann legte sie einfach auf.
13
    »Jan Persson ist ein in jeder Hinsicht unbeschriebenes Blatt!«, verkündete Decker ein paar Stunden später und legte das Foto eines auffallend schlanken, dunkelhaarigen jungen Mannes vor Em auf den Schreibtisch. »Er studiert Philosophie und Pädagogik,schreibt gute Noten und besitzt weder ein Vorstrafenregister noch einen Führerschein.«
    »Trotzdem sollten wir Westen sein Foto zeigen«, entgegnete Em.
    »Das habe ich ihm bereits gemailt.«
    »Und?«
    »Westen sagt, er hat ihn noch nie gesehen.«
    »Wie alt ist der Kerl?«, fragte Em, indem sie das Foto von Jan Persson noch einmal näher betrachtete.
    »Vierundzwanzig.«
    »Ich finde, er sieht wie ein Baby aus.« Sie schüttelte verständnislos den Kopf. »Na, wie auch immer. Und was kannst du uns über Westens Sohn verraten?«
    »Marlon?« Decker grinste. »Der ist abgesehen von seinem Leistungssport ein ziemlicher Faulpelz.«
    »Was für ein Sport ist das?«, fragte Zhou, indem sie das Foto von Marlon Westen betrachtete, das Decker ihr gegeben hatte.
    »Basketball. Er wollte zu den Fraport Skyliners, aber für eine Profikarriere war er mit eins zweiundachtzig ein bisschen zu klein.«
    Em blickte über Zhous Schulter in das eigenwillige Gesicht von Marlon Westen. Er hatte dieselben Augen wie sein Vater. Allerdings sprach aus ihnen deutlich mehr

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