Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
Vom Netzwerk:
für Kapitaldelikte.
    Sie ist gerade erst von einer fünfmonatigen Fortbildung an der FBI-Akademie in Quantico zurückgekehrt , flüsterte Makarov in Ems Kopf und sie bedachte ihre neue Partnerin mit einem kritischen Blick. Irgendwie passte das alles vorn und hinten nicht zusammen!
    »Aber falls es Sie beruhigt«, wandte sich Mai Zhou in diesem Augenblick an Decker, »mein zweiter Vorname ist Xiao Qiángwei und bedeutet so viel wie kleine Rose.«
    Walter Schmäh, mit knapp sechzig der älteste Kollege der Abteilung, kicherte vergnügt. »Diese Kleine ist richtig gut! Scheiße, Alex, du solltest mal dein Gesicht sehen!«
    Hinter ihm kam Makarov aus der Tür seines Büros gestürmt. »Ah, Frau Zhou, wie ich sehe, haben Sie sich schon bekannt gemacht.«
    »Noch nicht so wirklich«, entgegnete Em an ihrer Stelle. »Aber wir sind dabei …«
    »Ich muss Ihnen Ihre neue Partnerin trotzdem noch mal kurz entführen«, verkündete ihr Boss. »Die Personalabteilung braucht noch ein paar Unterschriften. Allerdings sollte das nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen.« Er zwinkerte seiner neuen Mitarbeiterin zu und bat sie dann mit einer knappen Geste, ihm zu folgen.
    Zhou schenkte ihren künftigen Kollegen ein flüchtiges und – zumindest für Ems Empfinden – auch reichlich formelles Nicken. Dann folgte sie Makarov auf den Gang hinaus.
    »Auf jeden Fall sieht sie verdammt gut aus«, konstatierte Holger Peters, Schmähs Partner, kaum dass sie aus der Tür war.
    Em zog die Stirn kraus. »Findet ihr?«
    »Und ob«, stöhnte Decker genüsslich. »Das musst sogar du als Frau zugeben.«
    »Was soll das heißen, ich als Frau?«
    »Na, ich meine, trotz dieses Zickenkriegs, den ihr Weiber immer abzieht.«
    »Du hältst mich für eine Zicke?« Sie starrte ihn an. »Ausgerechnet mich?«
    Decker spürte, dass er sich gehörig in die Nesseln gesetzt hatte, und hob abwehrend die Hände. »Komm wieder runter, okay?«
    »Nein!«, rief sie empört. »Du kannst nicht einfach irgendwas behaupten und dich dann …«
    »Zicke war vielleicht der falsche Ausdruck«, fiel er ihr ins Wort, »aber …«
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Was?«
    Decker blickte sich nach Unterstützung um. Doch die meisten Kollegen hatten bereits taktvoll die Blicke abgewandt. »Verdammt noch mal, Em«, brach es aus ihm heraus, als er sah, dass sie ihn nicht auslassen würde. »Jeder in dieser Abteilung weiß, dass du mit Weibern nicht kannst.«
    »Was?« Em schnappte hörbar nach Luft. Sie hatte sich die Anerkennung ihrer Kollegen hart erarbeiten müssen. Sie hatte fleißigVorurteile widerlegt und unermüdlich an ihrem Image gefeilt. Und inzwischen hatte sie durchaus das Gefühl, dass die anderen sie als eine von ihnen betrachteten. Dass sie in Wirklichkeit vielleicht ganz anders über sie dachten, sie gar für eine Zicke hielten, erschreckte sie mehr, als sie zugeben konnte. Zumal sie nicht das Gefühl hatte, dass Deckers Einschätzung der Wahrheit entsprach.
    Jeder in dieser Abteilung weiß, dass du mit Weibern nicht kannst …
    »Das ist doch Quatsch«, protestierte sie matt. »Wie kommst du nur auf einen solchen Schwachsinn?«
    Doch anstelle einer Antwort hob Decker die Hand zu einer wegwerfenden Geste. »Vergiss es …«
8
    Als Jenny Dickinson zum zweiten Mal erwachte, war es gleißend hell. Sie registrierte es sogar durch die Haut ihres Lides, und als sie erschrocken die Augen aufschlug, war da ein lichtes Viereck, das hoch über ihr schwebte. Ein flirrendes helles Gewaber, mit dem sie zunächst wenig anfangen konnte. Dennoch gab ihr allein schon das Vorhandensein von Licht ein Stückchen Mut zurück. Mut und Hoffnung.
    Die Dunkelheit war fort.
    Sie war nicht länger allein.
    Ihre Kehle war wie ausgedörrt, und sie hatte das beklemmende Gefühl, nie wieder schlucken zu können. Dafür ließ die gleißende Helligkeit ihre Augen tränen. Die Tränen liefen über ihre Wangen und tropften links und rechts von ihrem Gesicht auf den harten Untergrund, auf dem sie noch immer lag.
    Jenny hörte das Geräusch, das sie machten, wenn sie auf dem Boden auftrafen. Ein dumpfes, hohles »Plopp«. Der Ton kam ihrgeradezu unverhältnismäßig laut vor, aber das war vermutlich normal, wenn man – so wie sie – über einen längeren Zeitraum hinweg von allen äußeren Reizen abgeschirmt gewesen war.
    Sensorische Deprivation, analysierte die Psychologin in ihr. Eine Form der Weißen Folter, bei der Gefangene systematisch sämtlicher Sinnesreize beraubt werden, um sie

Weitere Kostenlose Bücher