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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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erschrak selbst, wie schrill ihre Stimme auf einmal klang.
    Ihr Mann antwortete nicht. Er ging mit versteinerter Miene auf die Gefriertruhe zu, die von ihren Ausmaßen her vermutlich aus der Gastronomie stammte. Und erst jetzt achtete Christina wieder auf die Spur. Den Pfad der Erleuchtung, den ein Unbekannter in den Staub des maroden Fußbodens gezeichnet hatte.
    Er folgte ihnen in den Raum hinein und endete direkt vor dieser Truhe …
    »Tu das nicht«, flehte sie noch, doch ihr Mann hatte bereits eine Hand am Griff des Deckels.
    Das Gummi gab ein sattes Schmatzen von sich, als er die Abdeckung anhob und mit der Lampe ins Innere der Truhe leuchtete. Und obwohl sein Gesicht fast ganz im Schatten lag, sah Christina, wie er bleich wurde.
    »Komm nicht näher!«, rief er mit einer Stimme, die genau wie sein Gesicht alle Farbe verloren hatte. »Hast du mich verstanden, Christina? Komm auf gar keinen Fall hierher!«
14
    »Tja, so schnell sieht man sich wieder, was?«, rief Alex Decker ihr entgegen, als Zhou eine knappe Stunde später in die Lagerhalle trat. Er stand an der Tür zu einem separaten Raum auf der anderen Seite – offenbar der Fundort –, und die hohen Wände ließen seine Stimme hohl und verzerrt klingen.
    Zhou gab ihm ein Zeichen, dass sie verstanden hatte, und sah, wie Decker sich abwandte. Dann griff sie in die Schachtel mit Plastik-Überschuhen, die einer der Spurentechniker ihr wortlos entgegenhielt. Sie trug noch immer dasselbe Kostüm, in dem sie ihren Dienst in der Abteilung für Kapitalverbrechenangetreten hatte – ein Umstand, der nicht gerade zu ihrem Wohlgefühl beitrug. Aber als die Einsatzmeldung gekommen war, hatte sie nicht gewagt, sich Zeit zum Umziehen zu nehmen. Zu Recht, wie es schien. Immerhin waren die anderen bereits da.
    Sie seufzte und streifte den zweiten Überschuh über ihre Pumps. Nur viereinhalb Zentimeter Absatz an diesem Tag, gottlob.
    »Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, sagte der Spurentechniker und deutete auf eine befremdlich blanke Spur am Boden.
    Zhou ging in die Knie und betrachtete die Ränder, die seltsam unregelmäßig schienen. »Ist das vom Täter?«
    Der Mann bejahte.
    »Gefegt?«
    »Mutmaßlich.«
    Sie richtete sich wieder auf und sah sich um. In der Halle schien es keinen Strom zu geben. Stattdessen hatte die Einsatzleitung Scheinwerfer aufstellen lassen. Ihr unerbittliches Licht malte groteske Schatten an die hohen Wände und ließ alles überproportional riesig wirken. Selbst die Schlaglöcher im Fußboden. »Soll ich mich in der Mitte halten oder lieber außen rumgehen?«
    »Da ist eh nicht viel zu holen«, antwortete der Techniker achselzuckend. »Weder innerhalb der Spur noch drum herum.«
    »Und was heißt das jetzt für mich?«
    »Gehen Sie da, wo er gefegt hat.«
    Na also, dachte Zhou. Das ist doch mal ’ne Ansage!
    »Ich wurde angepiepst, dass ich Capelli hier treffen soll«, erklärte sie dem uniformierten Beamten am anderen Ende der Halle.
    Dieser deutete mit einer knappen Geste über seine Schulter.
    Sie bedankte sich und betrat einen länglichen, nicht allzu großen Raum, der in den Zeiten, zu denen hier noch Betrieb geherrscht hatte, vermutlich als Pausentreff genutzt worden war. Die Kriminaltechniker hatten ihn offenbar bereits unter dieLupe genommen und warteten nun in einer Ecke neben der Tür darauf, dass die Gerichtsmedizin die Leiche freigab.
    Capelli stand zusammen mit Decker und drei anderen Männern, die Zhou nicht kannte, neben einer ausladenden Gefriertruhe an der rückwärtigen Wand, über die sich eine vermummte Gestalt im weißen Schutzanzug beugte. Aller Vermutung nach der zuständige Pathologe.
    »Na?«, begrüßte Capelli sie ohne Freundlichkeit. »Auch schon da?«
    »Ich hatte rote Welle.«
    Die Ausrede ist die kleine Schwester der Entschuldigung , spottete Zhous Verstand, während sie sich nach außen hin wenig erfolgreich um Ungerührtheit bemühte. Ihre Zimmergenossin auf der Akademie hatte sie irgendwann mal darauf hingewiesen, dass sie sich viel zu oft entschuldige – etwas, das Zhou selbst bis dato nicht aufgefallen war. Dafür bemerkte sie es seither bei jeder Gelegenheit und ärgerte sich grün und blau darüber. Aber mittlerweile hatte sie sich immerhin so weit im Griff, dass sie meist schon den Impuls im Keim ersticken konnte.
    Außer, es handelte sich um eine Situation wie diese … Der erste große Fall, bei dem sie mehr war als die eifrige Schülerin, die den erfahrenen Kollegen über die Schulter schauen

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