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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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erreichen könnt.«
    Sie zog eine von den neuen Visitenkarten aus der Tasche, die Makarov ihr gegeben hatte, und legte sie vor ihren Vater auf den Schreibtisch. Auf die Rückseite hatte sie von Hand ihre neue Anschrift notiert. Dazu auch Handy- und Festnetznummer und sogar ihre private E-Mail-Adresse.
    Ihr Vater würdigte die Karte keines Blickes, während vor ihm das Telefon unentwegt vor sich hin bimmelte. »Danke.«
    »Keine Ursache.« Zhou drehte sich um und ging langsam zur Tür, während sie insgeheim darauf wartete, dass ihr Vater ihr irgendeinen klugen Spruch hinterherschleuderte. Irgendeine banale Weisheit, über die sie im Anschluss viel zu lange nachdachte.
    Doch dieses Mal tat Ya Dao nichts dergleichen. Stattdessenfragte er: »Was ist das für eine Abteilung, für die du jetzt arbeitest?«
    Ihr erster Impuls war zu sagen: »Schau auf die Karte, dann weißt du’s!« Doch sie verkniff sich die Bemerkung. »Kapitalverbrechen«, sagte sie, indem sie sich noch einmal zu ihm umdrehte.
    Die Reaktion ihres Vaters bestand in einem resigniert-wissenden Nicken. Und noch immer klingelte das Telefon. Enervierendes eintöniges Läuten.
    Zhou seufzte und wandte sich wieder der Tür zu.
    »Gib acht auf dich, meine Tochter«, hörte sie Ya Daos Stimme in ihrem Rücken.
    Dann griff ihr Vater mit seiner üblichen gelassenen Ruhe zum Telefon und nahm das Gespräch entgegen.
13
    Fordstraße 237 erwies sich als heruntergekommenes Lagerhaus inmitten eines wenig vertrauenerweckenden Gewerbegebiets, das mit den Hochglanzfassaden der nahen Hanauer Landstraße nur wenig zu tun hatte. Hier animierten keine teuren Neuwagen in glitzernden Verkaufsräumen zahlungskräftige Kunden zum Kauf. Stattdessen türmten sich Müll und Schrottberge auf schlecht beleuchteten Hinterhöfen. Hohe, graffiti-verzierte Backsteinmauern wechselten sich ab mit schmutzigen Fassaden, deren blinde, zum Teil gesprungene Fenster wie tote Augenhöhlen anmuteten.
    Michael Höffgen drosselte das Tempo und brachte seinen Audi hinter einem verlassenen Lastwagenauflieger zum Stehen. »Das da drüben muss es sein!«, rief er und zeigte zur gegenüberliegenden Straßenseite.
    »Wieso?«, fragte Christina, doch im selben Augenblick entdecktesie eine fast verwitterte Hausnummer an der Mauer neben der Einfahrt.
    Die Gebäude lagen ein Stück zurückgesetzt. Die Frontseite des Geländes wurde durch zwei imposante Rolltore begrenzt, die jedoch offen standen und augenscheinlich auch schon längere Zeit nicht mehr bewegt worden waren. Von einer angrenzenden Landmaschinenfabrik fiel ein wenig Licht in den Innenhof, doch das reichte kaum, um Details wie Fenster oder Türen ausmachen zu können. Von Personen, die im Schatten der Gebäude stehen mochten, ganz zu schweigen.
    Der Abend war klar und kühl, und gegen den tintenblauen Nachthimmel zeichneten sich gestochen scharf die Konturen der umliegenden Gebäude ab. Es roch nach Herbst und Laub.
    Christina schlug die Autotür zu und schlang sich fröstelnd die Arme um den Körper. »Vielleicht sollten wir einfach wieder fahren.«
    Ihr Mann, der schon halb über die Straße war, drehte sich entgeistert zu ihr um. »Fahren? Jetzt?«
    »Warum nicht?« Sie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Hier ist doch nichts.«
    »Woher willst du das wissen?«, gab er zurück. »Das Ding scheint leer zu stehen und bietet so gesehen jede Menge Möglichkeiten, jemanden zu verstecken.«
    Zu verstecken , echote seine Stimme hinter Christinas Stirn. Jede Menge Möglichkeiten, jemanden zu verstecken, gefangen zu halten, zu …
    »Aber dann sollten wir vielleicht doch lieber die Polizei rufen. Sollen die sich mit diesem blöden Brief befassen.« Sie zögerte. »Und mit dem, was dahintersteckt.«
    »Die würden uns doch gar nicht ernst nehmen.« Ihr Mann schüttelte den Kopf. »Glaubst du, ich hab Lust, am Ende noch wie ein Idiot dazustehen? Ganz bestimmt nicht!«
    »Aber wir können da doch nicht einfach reingehen.«
    »Wieso nicht?«
    »Ist das nicht Hausfriedensbruch oder so was?«
    »Herrgott, Christina!«, fuhr er auf. » Du wolltest doch so unbedingt herkommen und nach dem Rechten sehen.«
    »Ja, schon …«
    »Und ich finde, dass wir uns jetzt, wo wir schon mal hier sind, auch vergewissern sollten, dass alles in Ordnung ist.«
    Dieser Argumentation hatte Christina nur wenig entgegenzusetzen. »Na schön«, seufzte sie. »Aber vorsichtig, ja?«
    »Na klar«, brummte ihr Mann. »Ich habe keinen Bock, mir hier den Fuß zu verknacksen oder

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