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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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plötzlich wieder Bewegung in die fast schon grotesk anmutende Szenerie. Die einen besannen sich auf ihre Pflichten. Andere ergaben sich dem Grauen und begannen zu zittern. Einer der Uniformierten presste sich hilflos die Hand vor den Mund und stürzte aus dem Raum. Decker zerrte mit zittrigen Fingern sein Handy hervor, das markante Gesicht grau vor Entsetzen. Dr. Bechstein hingegen gab ihren Mitarbeitern ein Zeichen, das Becken und die Beine der Toten aus der Truhe zu heben, während ein Spurentechniker jede Millisekunde der Aktion mit seiner Kamera festhielt.
    Zhou beobachtete, dass Capelli erschreckt zurückzuckte, als unter dem Rumpf des Opfers etwas Schwarzwollenes zum Vorschein kam, das sich bei näherem Hinsehen als halb verweste Katze entpuppte. Angesichts der peniblen Gründlichkeit, mit der der Täter das Innere der Truhe gesäubert hatte, war ihnen beiden auf Anhieb klar, dass er das Tier absichtlich dort platziert haben musste. Vielleicht war es Teil seiner Phantasie. Vielleicht auch nur eine zusätzliche Schikane für das bemitleidenswerte Opfer.
    »Was ist das hier für eine merkwürdige Substanz?«, fragte Zhou und deutete auf eine Reihe dunkler Punkte, die an der Truheninnenwand klebten.
    Dr. Bechstein bedeutete ihren Mitarbeitern, dass sie weitermachen sollten, und drehte sich zu ihr um. »Meinen Sie diese Krümel?«
    »Genau.«
    »Die sind mir auch schon aufgefallen. Aber was es ist, kann ich Ihnen leider noch nicht sagen.«
    »Das erinnert mich an meinen Neffen«, sagte Decker, dessen Gesicht allmählich wieder seine normale Farbe hatte. »Wenn der bei mir Fernsehen guckt, sieht das Sofa hinterher genauso aus.«
    In Anbetracht der Situation lachte niemand. Aber immerhin trug die Bemerkung dazu bei, die allgemeine Verkrampfung ein wenig zu lockern.
    »Eine sehr ähnliche Substanz befindet sich auch auf der Kleidung des Opfers«, erklärte Dr. Bechstein mit einem Blick über die Schulter, wo der Zinksarg mit den sterblichen Überresten der Toten gerade von ihren Assistenten verschlossen wurde. »Und wenn Sie mich fragen, handelt es sich dabei nicht um eine zufällig entstandene Verunreinigung.«
    »Bestimmt nicht«, pflichtete Capelli ihr bei. »Sieht eher danach aus, als ob der Täter das Zeug nachträglich über ihre Leiche gestreut hätte.« Sie winkte einen der Spurentechniker heran. »Nehmen Sie Proben hiervon und lassen sie das Zeug so schnell wie möglich analysieren«, wies sie ihn an. »Die Sache hat absolute Priorität.«
    Der Mann nickte und rannte zu seinem Einsatzkoffer, um die entsprechenden Behältnisse zu holen.
    »Wissen wir eigentlich schon, wer die Tote ist?«, wandte sich Capelli an einen seiner Kollegen.
    Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Aber das Ehepaar, das sie gefunden hat, meint, dass sie vielleicht Jennifer heißt …«
    »Was soll das heißen, sie heißt vielleicht Jennifer?«, schnappte Capelli.
    »Das fragen Sie die Leute am besten selbst«, entgegnete der Mann ausweichend. »Wir sind nicht so wirklich schlau aus ihnen geworden.«
    »Was haben die überhaupt hier gemacht? Immerhin ist dashier doch nicht gerade ein Ort, an dem man seine Freizeit verbringt, oder?«
    »Tja«, antwortete der Beamte, »das gehört auch dazu …«
    Capelli runzelte die Stirn. »Sie sprechen in Rätseln.«
    Ihr Gesprächspartner schenkte ihr ein sparsames Lächeln. »Wie gesagt, unterhalten Sie sich am besten selbst mit den Leuten. Ich habe nur verstanden, dass sie herbestellt wurden.«
    »Herbestellt?«, rief Capelli entgeistert. »Von wem?«
    Er hob die Schultern.
    »Na schön, wo finde ich die beiden?«
    »Sie warten draußen bei den Kollegen vom Rettungsdienst. Die wollten sie schon mit in die Klinik nehmen, aber wir hielten es für besser, sie erst mal hierzubehalten.«
    Falls er auf ein Lob für seine Umsicht hoffte, wurde er enttäuscht: Capelli drehte sich auf dem Absatz um und stürmte davon.
    »He, Em!«, rief Decker ihr nach. »Du hast deine Partnerin vergessen.«
    Die Übrigen standen noch immer zu sehr unter Schock, um zu lachen, doch Zhou wäre trotzdem am liebsten im Erdboden versunken. Sie kam sich vor wie ein versetztes Schulmädchen auf einem Abschlussball.
    »Machen Sie sich nichts draus«, versuchte Decker sie zu trösten. »Unsere Em ist und bleibt ein hoffnungsloser Macho.«
    Zhou antwortete nicht. Sie konnte nichts sagen, dazu hatte die Enttäuschung sie viel zu fest im Griff. Stattdessen blickte sie stur an ihrem völlig deplatzierten Kostüm hinunter und

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