Siebenschön
belächelte ihre eigene Naivität.
Sie hatte sich so sehr gefreut auf diesen Tag. Sie hatte stundenlang überlegt, was sie sagen würde. Wie sie sich am besten kleidete. Wie sie einen guten ersten Eindruck hinbekam. Und jetzt das!
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Tja, so war das mit den so genannten besonderen Tagen: Sie neigten dazu, von vorn bis hinten in die Hose zu gehen!
Das Leben meistert man lächelnd oder gar nicht , meldete sich ausgerechnet jetzt ihr Vater mit einem klugen Spruch zu Wort.
Ja, na klar, dachte Zhou, es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn er nicht doch noch seinen Senf dazugegeben hätte!
Sie schüttelte den Gedanken an ihre Eltern ab und ging stattdessen noch einmal zu Dr. Bechstein hinüber. »Die Schussverletzung ist im Gegensatz zu den Fleischwunden also postmortal.«
»Würde ich sagen, ja.«
»Wieso hat er ihr in den Kopf geschossen, nachdem er sie bereits zersägt hatte?«, murmelte Zhou, mehr an sich selbst als an die Pathologin gewandt.
»Tja, interessant, nicht wahr?« Die schwarzen Igelaugen funkelten. Offenbar hatte sich Dr. Bechstein bereits dieselbe Frage gestellt.
»Was glauben Sie?«, fragte Zhou interessiert.
»Vielleicht wollte er uns schockieren.« Sie schob die Unterlippe vor. »Also nicht uns persönlich, sondern denjenigen, der die Leiche findet.«
Ja, dachte Zhou, das wäre eine Möglichkeit. Und dieser Jemand stand gerade irgendwo da draußen und sprach mit Capelli!
Sie nickte der Pathologin zu und sah sich nach Decker um, der sich am anderen Ende des Raums mit einem Spurentechniker unterhielt. »Wir sehen uns später im Präsidium!«, rief sie ihm zu.
Dann folgte sie ihrer Partnerin hinaus in die Dunkelheit.
15
»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?«, fragte Makarov, indem er die Kopie des Briefes, den Christina Höffgen nur Stunden zuvor erhalten hatte, vor sich auf den Konferenztisch schleuderte.
»Leider doch«, sagte Capelli.
»Sie meinen, dieser Scheißkerl hat seine Tat angekündigt?«
»Sieht ganz so aus.«
Makarov kaute auf seiner wulstigen Unterlippe. »Und wer ist Theo?«
Capelli wollte antworten, doch Zhou war schneller: »Christina Höffgen behauptet, keinen Theo zu kennen.«
»Dasselbe sagt sie auch über unsere tote Jennifer«, spottete ihre unfreiwillige Partnerin, die seit ihrer Rückkehr ins Präsidium nicht ein einziges Wort mit ihr gewechselt hatte.
»Vielleicht entspricht es ja der Wahrheit«, versetzte Zhou.
»Glauben Sie das wirklich?«
Zhou überlegte kurz. Dann nickte sie. »Ja, das glaube ich.«
Makarov bedachte sie mit einem Blick, den die übrigen Anwesenden nicht deuten konnten, doch Zhou meinte, etwas wie Anerkennung in den runden Augen zu lesen. Vielleicht, weil er den Eindruck hatte, dass sie sich behauptete. Dass sie sich nicht abschrecken ließ von dem wenig herzlichen Empfang, den ihre neue Partnerin ihr bereitet hatte.
»Okay, dann bleiben wir erst mal bei den Fakten«, sagte er. »Christina Höffgen. Grafikerin. Vierunddreißig Jahre alt, beruflich erfolgreich, verheiratet, gut situiert.« Er lehnte sich zurück und sein massiger Körper füllte den Platz zwischen den beiden Stuhllehnen mühelos aus. »Sie bekommt einen Brief ohne Absender, in dem von einer Frau die Rede ist, von der sie nach eigenen Angaben noch nie gehört hat. Und trotzdem beschließt sie, den Anweisungen des anonymen Schreibers Folge zu leisten und zu einem verlassenen Lagerhaus zu fahren, um sich zu vergewissern, dass es der ihr unbekannten Jennifer gut geht.« Seine Augen wanderten von einem zum anderen. »Das klingt ziemlich bescheuert, oder?«
»Allerdings«, pflichtete Decker ihm bei. »Jeder normale Mensch hätte die Karte einfach in den Müll geworfen.«
Capelli schnaubte verächtlich. »Was verstehst ausgerechnet du von normalen Menschen?«
Makarov warf ihr einen tadelnden Blick zu.
»Christina Höffgen gibt an, von Beginn an ein komisches Gefühl bei der Sache gehabt zu haben«, berichtete Zhou, was das schockierte Ehepaar vor rund einer halben Stunde geschildert hatte.
»Gefühl, hm?« Makarov verzog das Gesicht.
»Nennen Sie’s Instinkt, wenn Ihnen das lieber ist«, gab Zhou zurück. »Fakt ist, dass Frau Höffgen die Karte ernst genommen hat. Und zwar zu Recht.«
»Das Original ist schon im Labor«, erklärte Capelli, die offenbar Sorge hatte, von ihrer neuen Partnerin ausgebremst zu werden. »Sie melden sich, sobald die Ergebnisse vorliegen.«
»Was ist mit der Tatwaffe?«
Capelli goss sich bereits die
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