Siebenschön
zweite Tasse Kaffee ein. »Soweit sich das bislang sagen lässt, eine Neunmillimeter und eine Kettensäge.«
Makarovs Wieselaugen glitten über die Tatortfotos an der Wand, die das Ausmaß des Grauens nur unvollkommen einfingen. »Eins verstehe ich nicht«, knurrte er. »Warum schießt er der Frau auch noch eine Kugel in den Kopf, nachdem er sie schon in der Mitte durchgesägt hat?«
»Frau Dr. Bechstein hat die Vermutung geäußert, dass die Schusswunde den Finder der Leiche schockieren sollte«, erklärte Zhou, wobei sie sich insgeheim fragte, ob es der Gerichtsmedizinerin wohl recht wäre, dass sie das sagte. Und ob sie sich mit der Preisgabe dieses Wissensvorsprungs nicht vielleicht doch nur für Capellis Alleingang revanchieren wollte.
Mit Letzterem allerdings hatte sie Erfolg: Capelli warf ihr einen Blick zu, der mehr als deutlich verriet, dass sie sich übergangen fühlte.
»Zu diesem Zeitpunkt, Frau Capelli, haben Sie bereits mit der Zeugin gesprochen«, setzte Zhou ungeniert noch einen drauf.
Decker grinste. Em drehte wütend den Kopf weg.
»Den Finder der Leiche …«, wiederholte Makarov stirnrunzelnd. »Das wäre dann also diese Frau Höffgen.«
»So hatte der Täter das ja wohl geplant.«
»Und warum?«
Zhou zuckte die Achseln.
»In diesem Fall würde es aber doch naheliegen, dass er noch in der Nähe war, als die Höffgens in Fechenheim ankamen«, sagte Capelli. »Oder etwa nicht?«
»Vielleicht hat er eine Kamera installiert«, schlug Decker vor. »Irgendeine Webcam, die ihm die Bilder, nach denen er giert, an einen sicheren Ort liefert.«
»Sie glauben, er ist ein Voyeur?«, fragte Makarov zweifelnd.
»Wäre doch denkbar«, verteidigte sich Decker. »Viele dieser Täter haben Spaß daran, zu beobachten, welches Entsetzen sie auslösen.«
Zhou überlegte, mit wie vielen Mördern dieses Kalibers die Kollegen der Abteilung wohl bereits zu tun gehabt hatten. Sie selbst war während ihrer Zeit in den USA an der Entwicklung einer Datenbank beteiligt gewesen, die unbekannte Sexualstraftäter erfassen und ihnen ein Profil verleihen sollte. Anhand von einer Reihe einschlägiger Parameter wurden die Täter klassifiziert, ihre Taten ausgewertet und alle Besonderheiten und Fakten dazu unter verschiedenen Schlagworten katalogisiert. Zhous Blick blieb an der Wand mit den Tatortfotos hängen. Aber Datensätze und Fotos, so detailreich sie auch sein mochten, waren nun einmal etwas anderes als Opfer aus Fleisch und Blut.
»Falls eine Kamera da ist, werden die Kollegen von der Spurensicherung sie finden«, sagte Makarov. Dann wandte er sich an Capelli: »Wurde die Frau vergewaltigt?«
»Darauf lässt sich die Gerichtsmedizin natürlich noch nicht festnageln, aber Dr. Bechstein meint eher nein. Zumindest wäre es sehr untypisch, dass der Täter das Opfer hinterher wieder anzieht.«
»Und die Frau war bekleidet?«
»Ja.«
»Was ist mit den Vermisstenmeldungen?« Makarov sah zu Sven Gehling hinüber, der bislang schweigend an seinem Bildschirmgesessen hatte, die Diskussion jedoch aufmerksam verfolgte.
»Ich bin das ganze letzte halbe Jahr durchgegangen.« Rein äußerlich verkörperte der junge Computerspezialist gewissermaßen den Gegenentwurf zu Decker: blass, dicklich und was sein Aussehen betraf nachlässig wie ein pubertierender Jüngling. Doch Zhou war sicher, dass man ihn nicht unterschätzen durfte. »Aber da war leider keine Jennifer. Und auch keine Jenny oder Genevieve oder Ähnliches.«
»Im gesamten Bundesgebiet nicht?«, fragte Makarov ungläubig. Immerhin war Jennifer mittlerweile ein regelrechter Modename.
»Doch, schon«, nickte Gehling. »Ich habe hier eine Prostituierte aus Königswinter und ein Mädchen aus Berlin. Aber das ist erst fünfzehn. Und außerdem stimmen die äußeren Merkmale nicht überein. Bei beiden nicht.«
»Dass sie Jennifer heißt, wissen wir ja auch nur von den Höffgens«, beeilte sich Capelli klarzustellen. »Der Name muss also keineswegs der Wahrheit entsprechen. Vielleicht heißt die Frau völlig anders.«
Makarov legte seine fleischigen Fingerspitzen aneinander. »Was sagen denn unsere Psychologen? Haben Sie das hier«, er wedelte mit der Briefkopie, »schon Dr. Koss gezeigt?«
»Dazu hatten wir noch keine Gelegenheit«, erklärte Capelli.
»Dann holen Sie das jetzt bitte nach«, entgegnete ihr Boss ruhig, aber bestimmt.
Capelli sah auf die Uhr.
»Schmeißen Sie ihn aus dem Bett, wenn’s nicht anders geht«, fauchte Makarov, der ihr Zögern
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