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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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das blitzsaubere Nachtschränkchen, wo noch immer die Ohrringe lagen, die sie vor ein paar Stunden abgelegt hatte, um zu duschen. »Da war so ein Typ hier«, entgegnete sie zerstreut.
    Manuels Kopf fuhr herum, als habe sie ihm einen Becher glühenden Kaffee über den Schenkel gekippt.
    Verdammt, dachte sie.
    »Was für ein Typ?«
    »Ich weiß nicht genau. Ein Anwalt, glaube ich. Er ist spezialisiert auf Erbrecht.«
    Ihr Freund kniff die Augen zusammen. »Wann war der hier?«
    »Vorhin. Kurz bevor du gekommen bist.« Sie seufzte. »Er hat mir seine Visitenkarte dagelassen, aber ich kann sie einfach nicht mehr finden.«
    Sie ging auf die Knie und warf einen Blick unter das Bett. Doch da war kein Hohlraum, in den die Karte gerutscht sein konnte. Seltsam, dachte sie.
    Ich gebe Ihnen den guten Rat, Ihren unfähigen kleinen Freund außen vor zu lassen , flüsterte eine garstige kleine Stimme hinter ihrer Stirn. Sonst stehen Sie am Ende da und haben gar nichts …
    Sie erschrak, als Manuels Gesicht dicht vor ihr auftauchte. »Erinnerst du dich nicht an seinen Namen?«
    »Nein.«
    Eine glatte Lüge. Sie war kein Mensch, der Dinge vergaß, die ihm irgendwie nützlich sein konnten. Und dieser Mann konnte ihr nützen. Das spürte sie. Seltsamerweise überzeugte sie ausgerechnet Manuels Drängen endgültig davon, dass der Fremde recht hatte. Dass es besser war, wenn sie gewisse Dinge allein regelte. Ohne Manuel. Ohne Mitwisser …
    »Komm schon«, rief ihr Freund entnervt. »Wenigstens den Nachnamen.«
    Sie schlug die Augen auf. Unschuldig, wie sie hoffte. »Tut mir echt leid, Schatz, aber ich habe gar nicht richtig hingesehen.«
    »Oh, Mann!« Er rollte sich wieder auf den Rücken und starrte den Bildschirm an, auf dem irgendeine stupide Reality-Soap vor sich hin flimmerte. »Dann müssen wir wohl oder übel mit diesem arroganten Mistkerl Kubilay vorliebnehmen.«
    Angesichts der Situation sparte sich Sarah jeden Kommentar zu diesem Vorschlag. Sollte er ruhig glauben, dass Kubilay sie auch in Zukunft vertrat. Hauptsache, er gab jetzt endlich wieder Ruhe.
    »Aber vielleicht meldet er sich ja auch noch mal bei dir«, riss Manuels Stimme sie aus ihren Gedanken.
    »Wer?«
    »Na, dieser Anwalt.«
    »Ja, vielleicht.« Sarah griff nach ihrem Schminktäschchen. Wahrscheinlich war es klüger, sich seinen Fragen zu entziehen, bis sie selbst mehr wusste. »Ich bin dann mal kurz unter der Dusche.«
    »Du hast doch vorhin schon geduscht.«
    »Na und?«
    »Von mir aus.«
    »Und anschließend müssen wir unbedingt zu McDonald’s!«
    Er sah auf die Uhr. »Jetzt noch?«, maulte er.
    »Bitte, bitte«, flehte sie in dieser Kleinmädchenmanier, auf die Männer wie Manuel standen. »Ich lechze nun schon seit Monaten nach Burger und Fritten …«
    »Sag bloß, die haben euch im Knast nicht anständig gefüttert?«
    Es sollte ein Scherz sein, das wusste sie. Trotzdem machte die Bemerkung Sarah wütend. Sein lascher Ton, die unbedachte Lässigkeit, mit der er sprach.
    Sie trat an den Schrank und suchte sich ein paar frische Klamotten zusammen.
    »Woher hat er das eigentlich gewusst?«, hörte sie die schläfrige Stimme ihres Freundes, als sie gerade die Badezimmertür hinter sich schließen wollte.
    »Was?«
    »Dieser Mann, dessen Karte du verloren hast«, wiederholte er. »Woher wusste er, dass er dich hier findet?«

DREI

    Gut geht, wer ohne Spuren geht.
    Laotse

Samstag, 17. November
1
    Makarov hatte eine Sonderkommission der Superlative ins Leben gerufen. Achtzehn Beamte aus drei Abteilungen. Dazu Experten für alles und jedes. Für Handschriften. Für jüdische Geschichte. Für Psychologie und Spurenkunde.
    Sven Gehling hatte Aufstellungen gemacht, hilflose Versuche, der Flut an Opfern mit Systematik beizukommen. Und doch hatte Em mehr denn je das Gefühl, dass sie diesem Fall einfach nicht Herr wurden. Dass man sie vorführte. Mit ihnen spielte.
    Sie goss sich Kaffee nach und rieb sich die Augenwinkel, die trocken waren vom Schlafmangel und der stickigen Heizungsluft. Vor ihr an der Wand flimmerte Gehlings jüngste Aufstellung.
    O PFER 1
    Jonas Tidorf: 27, Wirtschaftsinformatikstudent
    verschwunden seit: 16. Oktober (?)
    Brief vom: ???
    Adressat: Theo Dorn
    Tatort/Fundort: Kellerabteil, Gebäude Solitär Nr. 5, Deutschherrnufer 45
    Todesursache: Durchstechen des Kehlkopfes, vermutlich mit einem Schlachtermesser, Klingenlänge 18–20 cm, Verbrühungen im Gesichts- und Halsbereich, vermutlich durch Wasserdampf
    Accessoires:

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