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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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würde Manuel vermutlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bei der Stange halten. Also musste so schnell wie möglich eine andere Lösung her.
    Doch das war gar nicht so einfach. Sarah sah in den Spiegel und brachte mit ein paar entschlossenen Bewegungen ihre Haare in Ordnung. Manuel war skrupellos und ängstlich zugleich. Eine ausgesprochen gefährliche Kombination, wie sie fand. Wenn sie ihn einfach abservierte, würde er sie ohne Zögern verpfeifen. Sogar auf die Gefahr hin, dafür selbst ein paar Jahre ins Gefängnis zu gehen. Und auch mit Geld würde sie ihn nur vorübergehend loswerden. Sie lächelte bitter. Ganz egal, wie viel es wäre, er würde es ausgeben. Und dann würde er zurückkommen und mehr Geld wollen. Ein Leben lang. Sie legte den Kamm zur Seite und dachte daran, wie unglaublich unverfroren er gelogen hatte. Sogar im Zeugenstand. Unter Eid.
    »Frau Kindle und ich kennen uns seit Jahren. Ich wusste um die Belastung durch die schwere Krankheit ihres Mannes und dachte, dass sie vielleicht etwas Ablenkung vertragen könne.«
    »Ablenkung?«
    »Ja, sie war in größter Sorge, weil ihr Mann zunehmend depressiv wurde.«
    »Hat Frau Kindle Ihnen etwas darüber erzählt?«
    »Nur, dass er sich immer mehr in sich zurückzog.«
    »Wann haben Sie einander an dem bewussten Abend getroffen?«
    »Ich habe sie gegen achtzehn Uhr abgeholt.«
    »Wo? Zu Hause?«
    »Nein. Bei ihrem Friseur. Wir wollten noch einen Kaffee trinken. Danach sind wir ins Kino gefahren. Wir haben uns die Vorstellung um acht angesehen. Und anschließend habe ich Sarah nach Hause gebracht.«
    »Wie kommt es, dass sich dort niemand an Sie erinnert?«
    »Sie meinen im Kino?«
    »Ja.«
    »Nun ja, ich erinnere mich zum Beispiel auch nicht daran, wer neben uns gesessen hat. Ich achte nicht besonders auf solche Dinge, wissen Sie?«
    Sarah tupfte sich ein wenig Rouge auf die Wangen. Es würde nicht leicht werden, Manuel abzuschießen, und je länger sie darüber nachdachte, umso mehr tendierte sie zu einer, wie sie es im Stillen nannte, Radikalmaßnahme. So wie bei Eberhard. Sie hatte zwar noch keine Ahnung, wie sich das in die Tat umsetzen ließ, aber ihr würde schon etwas einfallen. Dessen war sie ganz sicher. Sie warf ihrem Spiegelbild ein flüchtiges Lächeln zu. Auch wenn man es ihr nicht unbedingt ansah – sie war schon immer ein äußerst systematischer Mensch gewesen. Jemand, der die Dinge, die zwischen ihm und einem bestimmten Ziel standen, abarbeitete. Eins nach dem anderen. Und ihr vorrangigstes Ziel war im Moment, Eberhards Vermögen zu retten. Vor Manuel genauso wie vor ihren Stieftöchtern.
    Wie aufs Stichwort läutete in diesem Augenblick eine Etage unter ihr die Türglocke. Ein dumpfer, hohler Ton, den Sarah noch nie hatte leiden können.
    Mit einem letzten Blick in den Spiegel vergewisserte sie sich, dass sie gut aussah.
    Dann rannte sie ins Schlafzimmer zurück und schlang sich hastig einen bunten Seidenschal um, der ihr ausgezeichnet stand, das wusste sie. Dabei fiel ihr ein, dass Eberhard diesen Schal immer gehasst hatte, und sie musste unwillkürlich lächeln. Er hatte hervorragende Instinkte gehabt, der gute Eberhard. Denn der Schal war ein Geschenk von Manuel. Aus einer Zeit, in der sie noch jung und verliebt gewesen waren. Oder war sie überhaupt nie in Manuel verliebt gewesen? Sie stutzte. Inzwischen war sie sich keineswegs mehr sicher …
    Sie riss sich den Schal vom Hals und warf ihn aufs Bett, als die Türglocke ein zweites Mal ertönte. »Ich komme«, rief sie,obwohl sie wusste, dass man sie draußen auf keinen Fall hören konnte. »Bin schon unterwegs.«
    Dann rannte sie die Treppe hinunter, um ihrem Besucher die Tür zu öffnen.
6
    Ein wirklich gut aussehender Mann, dachte Em, nachdem Sander Westens Sekretärin sie in ein geschmackvoll eingerichtetes Büro geführt hatte. Es war nicht chaotisch, aber auch nicht übertrieben aufgeräumt. Ein Raum, dem man ansah, dass darin gedacht und gearbeitet wurde.
    »Arbeiten Sie immer am Samstag?«
    »Ja. Fast immer.« Sander Westen machte nicht den Eindruck, als ob ihm der Besuch zweier Kriminalpolizistinnen sonderlich unangenehm wäre. Doch das, dachte Em, würde sich vermutlich ändern, wenn er erfuhr, worum es ging.
    Von Gehling wusste sie, dass der Psychologe vierundfünfzig Jahre alt, geschieden und Vater eines erwachsenen Sohnes war. Sein Spezialgebiet, Diagnostik und Prognose von Sozialverhaltensstörungen bei straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen, hatte er bereits

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