Siebenschön
»reicht gerade so weit, um dir zu sagen, dass du bei ihr nicht die geringste Chance hast.« Sie blickte ihn an. »Ist deine Frage damit beantwortet?«
»Worum geht’s denn?«, fragte Gehling, der nur noch den Schluss mitbekommen hatte.
»Ach, um nichts weiter.« Decker griff nach einem Locher, den Em ihm umgehend wieder aus der Hand nahm und an seinen Platz zurückstellte. »Ich habe Zhou bloß gefragt, ob sie mit mir essen geht.«
In Gehlings hellgraue Augen stahl sich ein belustigtes Funkeln. »Und sie hat Nein gesagt, stimmt’s?«
»Wie kommst du darauf?«
Gehling tauschte einen Blick mit Em, die nachsichtig den Kopf schüttelte.
»Na schön, ihr habt recht«, räumte Decker ein. »Aber vielleicht meint sie in Wirklichkeit: ›ja‹.«
»Nein«, holte Em ihn umgehend auf den Boden der Tatsachen zurück. »Chinesin hin oder her, in diesem speziellen Fall meint sie genau das, was sie sagt.«
»Wie kannst du dir da sicher sein?«, protestierte er. »Du hast gerade selbst gesagt, dass du sie noch gar nicht einschätzen kannst.«
»Vertrau da einfach auf meine Erfahrung als Frau, okay? Und jetzt schwing deinen Hintern von meinem Tisch, ich hab zu arbeiten.«
»Deine Erfahrung als Frau«, wiederholte er spöttisch. »Sagt ausgerechnet eine, die wie ein Kerl denkt.«
»He!«, protestierte sie. »Fängst du etwa schon wieder an?«
»Wer von euch beiden ist denn zu Hause und wechselt Windeln?«, gab er zurück, und bei aller Flapsigkeit war da auch ein Hauch von Verletzung in seiner Stimme. »Du oder Hansen?«
»Das kannst du doch gar nicht vergleichen.«
»Na schön.« Er stemmte die Hände in die Hüften. »Und wer von euch beiden ist normalerweise gefahren?«
»Du meinst das Auto?«
»Ja, ich meine das Auto.«
»Ich.« Sie reckte angriffslustig das Kinn vor. »Sagt das irgendwas über die Beziehung aus, die Viktor und ich hatten?«
»Überleg mal.«
»Menschenskind, bin ich froh, dass ihr Kerle nicht in Klischees denkt!«
»Moment«, rief Gehling. »Ich habe doch gar nichts …«
»Nicht du«, beruhigte sie ihn.
»Soll heißen, sie hält dich für ein Weichei«, stichelte Decker munter weiter.
»Hör gar nicht hin.« Em fuhr sich entnervt durch die Haare. »Wolltest du irgendwas Bestimmtes?«
Gehling nickte. »Fahrt ihr heute noch zu diesem Dr. Westen?«
Sie sah auf die Uhr. »Ich wollte in einer halben Stunde los, wieso?«
»Ich hätte da noch was, das ihr wissen solltet, bevor ihr mit ihm redet.«
»Schieß los«, forderte sie ihn auf. »Aber ich bin nicht der Papst, falls dir das irgendwie entgangen sein sollte.«
»Hä?«
»Du brauchst mich nicht im Plural anzusprechen, okay?«
»Ich dachte, dass Zhou auch …«
Sie blickte über die Schulter. »Kannst du sie hier irgendwo sehen?«
»Nein, aber …«
»Na also.« Sie zupfte unwillig den Kragen ihrer Bluse zurecht. »Und was sollte ich nun wissen, bevor ich mit Sander Westen rede?«
»Dass er vermutlich auch noch zwei der anderen Opfer kannte …«
Sie starrte ihn entgeistert an. »Was?«
»Jonas Tidorf war ebenfalls Patient in Westens Praxis«, entgegnete Gehling. »Übrigens in der gleichen Gesprächsgruppe wie Alois Berneck. Und Jenny Dickinson hat anscheinend vor einiger Zeit mal bei ihm hospitiert. Zumindest hat sie entsprechende Termine in ihren Computer eingetragen. Vier, um genau zu sein. Im Zeitraum von Ende August bis Anfang September.«
»Warum sollte eine gestandene Psychologin, die bereits eine eigene Praxis betreibt, bei einem Kollegen hospitieren?«, fragte Em.
»Vielleicht wollte sie sich weiterbilden.«
»Weißt du zufällig auch, von wem der Kontakt ausging?«
»Ja, von Westen.«
Das überraschte sie. »Wirklich?«
Er nickte. »Jenny Dickinson hat vor einiger Zeit eine Fortbildung gemacht, bei der es um neue therapeutische Ansätzebei der Behandlung von Traumata ging. Westen war einer der Gastredner, und im Anschluss an diese Veranstaltung schickte er ihr eine Einladung, doch mal in einer seiner Gruppen zu hospitieren.«
»Traumatherapie …« Em schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich denke, der Kerl ist Rechtspsychologe.«
»Er arbeitet schon seit Jahren nicht mehr mit Straftätern.«
»Na gut«, entgegnete sie. »Wir klären das.«
»Ha!«, rief Gehling triumphierend.
»Was?«
»Du hast wir gesagt …«
»Mein Gott«, fuhr sie auf. »Ihr benehmt euch schlimmer als ein Haufen Kleinkinder.«
»Wir nicht, aber du«, hörte sie Deckers Stimme in ihrem Rücken.
Sie drehte sich zu ihm um. »Was soll
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