Sieg der Leidenschaft
keine Zeit für moralische Bedenken und Ehrgefühle nehmen, nicht einmal für Versprechen, in einer anderen Zeit gegeben, als sich die Welt noch nicht so schnell gedreht hatte. Am Krieg konnte sie nichts ändern, ebenso wenig an der Tatsache, dass die Liebe zu ihrer Familie wichtig war.
Natürlich würde Weir sie empfangen - und ihr vielleicht sogar gestatten, mit ihm zu flirten, ihn anzuflehen ... Dann würde er verkünden, so sehr er es auch bedaure, ihr Vater sei ein Verräter und müsse noch in dieser Nacht sterben. Er würde sich für den Sieger halten, ohne zu ahnen, dass sie einfach nur die Zeit gewann, die sie brauchte.
Um sich zu verteidigen, hatte ihr Vater zahlreiche Männer eingestellt - Schwarze, Weiße, Seminolen, Creek, Deutsche, Iren. Aber Weir würde zu einer weiteren Kavallerieeinheit aus dem Norden stoßen. Gegen diese Übermacht konnten McKenzies Streitkräfte nichts ausrichten, außer, sein Yankee-Sohn traf mit Verstärkung ein, bevor die Schlacht begann. Tia ritt zum Eingang von Ellington Manor. Im Lichtschein, der aus den Fenstern fiel, stieg sie ab und ging zu den Verandastufen.
»Halt!«, rief eine heisere Stimme und ein junger Wachtposten trat aus dem Schatten. »Madam ...«
»Ich muss Colonel Weir sprechen, Sir. Bitte, richten Sie ihm aus, Tia McKenzie ...«
»Oh - Miss McKenzie!« Jetzt erkannte er sie. Seine schmalen Wangen färbten sich feuerrot. »Gewiss, sofort ... Thackery, Madam, wenn Sie sich an mich erinnern. Kurz vor der Schlacht bei Olustee sind wir uns auf General Ropers Ball begegnet.«
»Ach ja. Guten Abend, Sir.« Zum Glück genoss sie den Ruf einer eingefleischten Rebellin, obwohl ihr Vater für die Union kämpfte. Halb mitfühlend, halb schuldbewusst starrte der junge Soldat sie an und schien sich zu fragen, ob sie Weirs Plan kannte. Eigentlich durfte sie nichts davon wissen. Aber ein Soldat, der von ihrem aufopferungsvollen Engagement für die Konföderation wusste, hatte ihr von dem tückischen Plan erzählt. Schon vor langer Zeit hatte die Regierung beschlossen, ihren Vater in Ruhe zu lassen. Wenn seine Sympathie für die Union auch bekannt war - er hatte seit dem Ausbruch des Sezessionskrieges stets eine neutrale Position eingenommen. Auf Cimarron hatten Soldaten aus beiden Lagern schon oft einen Hafen für ihre Verwundeten gefunden und McKenzies Vieh ernährte Yankees und Rebellen gleichermaßen. Tias Fingernägel gruben sich schmerzhaft in ihre Handflächen. Diesen ungerechtfertigten Angriff auf ihren Vater musste sie mit aller Macht verhindern.
Thackery öffnete die Haustür und Tia folgte ihm hastig in die Halle, die als Salon fungierte. Sicher wünschte der junge Soldat, sie würde draußen warten. In einer fadenscheinigen Uniform, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, stand Raymond Weir vor dem Kamin. Er war ein hoch gewachsener, attraktiver Mann mit langen blonden Locken, blauen Augen, die alles zu sehen schienen, und einem markanten, trotz des Kavalleriehuts sonnengebräunten Gesicht. Als Tia eintrat, drehte er sich hastig um und runzelte die Stirn.
»Sir, Miss McKenzie...«, begann Thackery.
»Tia!«, rief Weir und schnauzte Thackery an: »Private, heute Abend habe ich keine Zeit für Besuche ...«
»Mach ihm keine Vorwürfe«, fiel Tia ihm ins Wort, »ich bin ihm ohne Erlaubnis nachgegangen.«
»Jetzt kann ich dich nicht empfangen, Tia.« Immerhin besaß er genug Anstand, um zu erröten. »Ich habe zu tun. Was machst du hier? Eigentlich dachte ich, du wärst bei Julian.«
»Ich bin auf dem Heimweg«, log sie. »Und da hörte ich, du wärst in Ellington Manor. Raymond, ich muss dich unbedingt sprechen.«
»Lassen Sie uns allein, Private Thackery.«
»Haben Sie eine Order, Sir? Für die Männer?«
»Wenn es an der Zeit ist, werden sie ihre Order bekommen, Private.«
»Aye, Sir!« Thackery salutierte und verließ das Haus.
Tapfer erwiderte Tia den eindringlichen Blick des Colonels. Nach einem kurzen Schweigen räusperte er sich und wies zu einem Sideboard, auf dem eine Kristallkaraffe stand. »Leider kann ich dir keinen so exquisiten Drink wie Sherry anbieten. Aber im Lauf der Jahre hast du dich sicher an den schärferen Geschmack von Kentucky Bourbon gewöhnt.«
»Schon vor dem Krieg.« Sie ging zu dem Sideboard und füllte zwei Gläser. Für ihn schenkte sie etwas mehr ein. Als er ihr den Drink aus der Hand nahm, musterte er sie sehnsüchtig - und misstrauisch. Früher hatte ihr sein Interesse geschmeichelt, jetzt verachtete sie
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