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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und die Arbeit in der Faktorei zur widerlichen Last.
    Die Auseinandersetzung, die stattgefunden hatte, verschwieg der Sohn dem Vater, trotzdem entging letzterem die Veränderung seines Erben nicht. Eine Aussprache unterblieb jedoch, der alte Handelsherr hielt sie nicht für nötig, obwohl der Sohn kaum mehr etwas aß und deshalb sichtlich abmagerte.
    »Was hat er?« fragte besorgt die Haushälterin des Handelsherrn, als der Sohn seinen Teller wieder einmal überhaupt nicht angerührt hatte.
    Der Alte zuckte die Achseln.
    »Dichterlaune«, brummte er.
    Und daran glaubte er auch, hatte er doch einmal gelesen, daß Künstler die seltsamsten Leute seien. Wenn ihnen, hatte da gestanden, einmal eine Fliege ins Tintenfaß fiele, sännen sie sofort darüber nach, ob darin nicht eine besondere Infamie des Schicksals zu sehen sei.
    Indes, bald darauf trat der Sohn eines Morgens vor seinen Vater hin und sagte: »Ich halte es nicht mehr aus. Ich will hinaus, hinaus in die Welt, Vater. In die Weite, in die Ferne. Laß mich gehen, Vater.«
    »Phantast!« brummte der Alte. »Die Welt ist Pest und Ekel. Bleib hier, unser Dach ist sicherer und angenehmer als jede Krone eines Baumes, als jedes Zelt des Himmels.«
    »Ich kann nicht, Vater«, brach es aus dem Sohn heraus. »Ich kann nicht mehr … ich ersticke!«
    »Du erstickst bei deinem Vater?«
    »Versteh mich doch! Eine Welt will ich mir schaffen, eine eigene Welt.«
    »Und wo soll die liegen, Dichter?« grollte der Vater, an dessen Schläfen die Adern zu schwellen begannen.
    Der Junge sah es nicht, er blickte in die Weite, in ein Paradies des Traumes. Voller Glauben sprach er: »Sie liegt im Geist, im Können, im Nichtverzagen.«
    »Deine Welt ist die Firma. Ich übernahm sie von meinem Vater, dieser wiederum von seinem Vater, dieser von seinem … und so weiter und so fort. Generationen schafften an dem Werk, legten Stein auf Stein, errichteten den Bau. Du bist vorläufig der Letzte unseres Stammes. Mit dir steht oder fällt die Firma.«
    »So fällt sie, Vater, muß sie fallen, weil ich Höheres erstrebe.«
    Da richtete der Alte sich zu seiner vollen Größe auf. »Gibt es etwas Höheres, als ein Erbe zu erhalten? Meine Pflicht ist es, dich zu leiten, daß du erkennen lernst, was ein Erbe bedeutet. Du müßtest nun eigentlich alt genug sein, das selbst zu sehen. Es ist die Pflicht, die dich an deinen Posten bindet, die Pflicht des Blutes – was ist da noch stärker, was gewaltiger als diese Tatsache?«
    »Das Heiligste – die Kunst.«
    Zornig blickte ihn der Vater an, zornig funkelten seine Augen, zornig war der Ton.
    »Du bleibst!«
    »Nein.«
    »Du willst nicht?«
    »Nein.«
    »Du stößt deinen Vater zurück?«
    »Ich sage ja, denn kanntest du bis jetzt Erbarmen mit deinem Sohn?«
    »Du zerstörst das Erbe deiner Ahnen!«
    »Wer sagt, daß ich durch dieses Erbe leiden soll? Mein Wille war es nicht, daß irgendeiner unserer Vorfahren anfing, sich dem Handel zu verschreiben.«
    Der Alte stellte seine letzte Frage, grollend, noch größer werdend: »Du stellst das eigene Ich über die Pflicht des Blutes?«
    Der Sohn gab die Antwort nicht zögernd und fest: »Die Pflicht zur Dichtung gilt mir mehr.«
    »Taugenichts!«
    Der Alte brüllte es, aus einem jahrhundertealten Gefühl gerissen. Er hatte den Untergang seines Werkes und das der Ahnen vor Augen. Er trat vorwärts, blind vor Wut, hob die Faust, die Faust, an der die schweren Ringe blitzten, und schlug zu.
    »Taugenichts! Verkommenes Subjekt! Tagedieb! Parasit! Lump! Faulpelz!«
    Jedes Schimpfwort wurde von einem Schlag begleitet.
    »Tunichtgut! Kreatur! Schädling!«
    Und immer wieder: »Taugenichts!«
    Taumelnd suchte der Sohn dem Bereich der Arme des Amokläufers zu entkommen, aber der Vater folgte ihm, brüllend, mit Schaum vorm Mund, und schlug zu, schlug zu. Blut tropfte aus der Nase des Sohnes, die Lippe riß – der Junge wehrte sich nicht gegen die Schläge, denn sie kamen ja vom Vater. Da … plötzlich … brach ein Röcheln aus des Alten Brust, ein nie gehörtes Stöhnen, ein fremdes Schluchzen. Er wankte, suchte Halt, griff taumelnd um sich, glitt aus und fiel schwer auf den Teppich.
    »Vater!«
    Der Sohn sprang hinzu, kniete nieder, rüttelte den regungslosen Körper.
    »Vater, was ist, was hast du? So sprich doch! Mein Gott! Vater!«
    Stumm lag der Alte, stumm für ewig. Zu groß war die Erregung für sein altes Herz gewesen.
    Der Sohn aber konnte es nicht fassen, rüttelte den Toten immer und immer wieder,

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