Sieg des Herzens
gleichen Stelle hier. Geht das?«
Der Greis nickte.
»Tausend Dank!« rief der Jüngling, enteilte und suchte sich ein stilles Plätzchen, wo er wieder einmal Pegasus, das geflügelte Roß der griechischen Sage, das Roß der Dichter, satteln konnte.
Leise weht durch Deinen Garten
zärtlich-warm ein Frühlingswind,
hier, Geliebte, will ich warten,
bis die Sterne müde sind.
Hoch am Himmel gießt mit Lachen
fahles Silberlicht der Mond,
oh, stets will ich stehn und wachen,
Sklave Deines Himmelsthrons.
Könnte ich die Blütenzweige
doch in Deine Arme legen,
könnte süßer Schmelz der Geige
Dich erfreun auf allen Wegen,
könnte ich mein Herz, das wunde,
aus der Brust für dich doch reißen,
daß es zitternd gebe Kunde,
welch ein Leuchten, Freudegleißen
jeder Blick von Dir erweckt.
Oh, ich kann nicht, streng bewacht
sind des Glückes stein'ge Pforten,
Augen spähen durch die Nacht,
Vorsicht heischend allerorten.
Wie ein Stirnreif großer Fürsten,
nach dem gier'ge Diebeshände
tasten und im Fieber dürsten
und selbst die Moral verpfänden,
wirst, Geliebte, Du bewacht.
Doch zu hoch sind keine Gitter,
daß ich heimlich in der Nacht,
sei's bei Mondschein, Sturmgewitter,
mich nicht auf die Kraft vertrau,
die der Sehnsuchtsdrang mir schenkt.
Wenn ich Deine Augen schau,
diesen Glanz, der mich gelenkt
unermüdet über Weiten,
selig, trunken, lebensfern
werd ich Dir zu Füßen gleiten,
Dir, der Sternen schönster Stern.
Nicht erträglich ist das Leben,
wenn es hinter Mauern träumt,
Glück und Frohsinn will ich geben
Dir, in der die Jugend schäumt.
Nicht versprechen will ich, bauen
Schlösser, die im Leben fallen,
nein, auf Kraft und Mut vertrauen
baut die ird'schen Siegeshallen.
Was das Schicksal uns auch schenke,
was brutal es auch zertritt,
eins, o Liebste, stets bedenke:
unsre Liebe gehet mit.
Geht mit uns den Weg des Glückes,
schleicht mit uns den Schmerzenspfad,
schenkt uns Kraft zum Trotz des Lebens,
lenkt bedachtsam Gottes Rat.
Liebe ist die Macht der Seele,
die den Mensch zum Himmel hebt,
Liebesschleier will ich schenken,
die das Glück für Dich gewebt.
Sinnend hielt er inne, überlas seine Verse noch einmal und schrieb dann darunter:
Morgen um Mitternacht warte
ich auf Dich im Park, im Gebüsch
beim großen Tor.
Als er seinem Helfershelfer, dem freundlichen Gärtner, das Blatt brachte, hatte er nichts dagegen, daß dieser das Gedicht las. Alte Leute sind neugierig und scheuen sich nicht, das zu erkennen zu geben.
Nachdem der Gärtner die Verse andächtig studiert hatte fragte er den jungen Verfasser ernst: »Bist du ein Dichter?«
»Ja«, antwortete dieser schlicht.
»So halte dein Leben fest, daß es dir nicht enteilt. Ich kannte einen …«
Er verstummte, da ihm der Jüngling ungeduldig ins Wort fiel, indem er ihn fragte: »Wann wirst du ihr das Blatt zustecken?«
»Möglichst bald. Ich sehe ja, daß du sie heute nacht schon treffen willst.«
»Ich danke dir aus ganzem Herzen. Ich werde dich in einem Gedicht verewigen. Sollte irgend etwas nicht klappen – bei dir oder bei mir –, komme ich morgen wieder hierher, und wir machen einen neuen Anlauf. Darum bitte ich dich.«
Der Alte nickte. Längst war er vom Jüngeren überfahren worden und sagte zu allem ja und amen. Das ist ja meistens so, daß die Jugend in solchen Fällen die Initiative an sich reißt und das Alter sich fügt. Stellt sich dann die Reue ein, ist es fast immer zu spät.
Es kam eine warme Nacht, und der Mond zauberte auf Bäume, Büsche und Gräser einen aus Silber gewebten Schleier. Ein zarter Hauch schwebte über der Natur wie das tiefe, sorglose Atmen eines schlafenden Kindes. Es war eine Nacht der Dichter und der Liebenden.
Er stand an der im tiefsten Dunkel liegenden Innenseite des Zaunes, verborgen durch ein Fliedergebüsch, und spähte aus nach dem Schatten der Geliebten. Und wieder wurde es eine Folter für ihn.
Es war schon Mitternacht durch, und noch immer war keine Spur von der Ersehnten zu sehen. Warum kam sie nicht? Hatte der Gärtner sie nicht getroffen? Oder hatte er sie gar nicht treffen wollen? Trieb der Alte nur ein Spiel mit ihnen beiden?
War er gar bereit, sie zu verraten?
Den Jüngling durchfuhr ein eisiger Schreck. Was garantierte ihm, daß der Gärtner wirklich auf seiner Seite stand? Was rechtfertigte sein Vertrauen zu ihm?
Nichts.
Es hätte sich also empfohlen, schleunigst zu fliehen, um die eigene Haut zu retten.
Die Haut der Geliebten, die durfte ihn dann allerdings nicht mehr kümmern.
Damit war
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