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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schmales Weib, dem man Jahre des Hungers ansah. Die Kleidung bestand fast nur aus Lumpen.
    An einem wackligen, erbärmlich kleinen Tisch saß ein Mann, den sorgenschweren Kopf in die Hände gestützt, und blickte abwechselnd auf die Frau und das Kind. Auch er war ein Bild der Armut. Lange gab er keinen Laut von sich.
    Das Kind wimmerte. »Es fiebert«, sagte die Frau, ihr Schluchzen unterbrechend.
    Er schwieg, starrte auf das Kind. Abwesend, leblos fast war sein Blick.
    »Seit Tagen liegt es so, es phantasiert, es stöhnt. Dem Kind hilft die Natur nicht mehr. Nur ein Arzt kann es noch retten.«
    Die Mutter hatte diese Worte geschluchzt und trocknete sacht die nasse Stirn des Kindes.
    »Ein Arzt? Ein Arzt will Geld sehen. Woher soll ein unverstandener Dichter Geld nehmen?«
    »Mein letzter Schmuck …«
    »Verkauft! Seit Tagen schon! Die Miete wollte der Hausbesitzer haben. Keiner hat ein Herz, wenn es um seinen eigenen Vorteil geht. Wir besitzen nichts mehr, keinen Schmuck, keine Wäsche, nicht mehr das Geringste … nur noch unser Leben.«
    Trostlos hatten diese Worte geklungen, dumpf, hoffnungslos.
    »Herr im Himmel, sei gnädig, hilf mir!« Laut betete es die verzweifelte Mutter. »Es darf nicht sterben, ich flehe dich an. Das Leben hat mir schon alles genommen, Frohsinn, Lachen, Glück, aber ich will mich nicht beklagen. Gern will ich alles hingegeben haben, wenn du es fordertest, nur lasse mir mein Kind, mein einziges, hilf mir, daß es noch einmal gesund wird, ich flehe dich an.«
    Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht im Stroh neben dem Kopf des fiebernden Kindes, dessen Wimmern kurz verstummte, abgelöst wurde von einem plötzlichen Schrei: »Mama, Mama!«
    Der kleine Körper bäumte sich auf.
    »Mein Gott, hilf!« schluchzte die Mutter wieder und drückte das Kind zurück auf das Stroh.
    »Mama«, klang es leiser.
    Die kleinen, mageren Finger griffen um sich.
    »Mama …«
    Das Grauen stand im Raum.
    Da sprang der Dichter auf und stürzte zum Lager. Immer noch starr war sein Blick. Schweiß perlte auf seiner Stirn, kalter Schweiß. Er sah in das fiebernde Gesicht, stieß plötzlich einen unartikulierten Laut aus, fuhr auf den Absätzen herum und eilte hinaus.
    Ehe er die Tür zudrückte, hörte er wieder: »Mama … Mama …«
    Gehetzt stürmte er durch die Straßen, dem Haus des nächsten Arztes zu.
    »Was wollt Ihr?« fragte ihn dieser im geschäftsmäßigen Ton, nachdem er sich mit einem Blick ein entsprechendes Urteil gebildet hatte. »Habt Ihr auch Geld, um zu bezahlen?«
    »Doktor, Ihr müßt uns helfen … unser Kind … das einzige … es stirbt!«
    »Ob Ihr auch Geld habt, um zu bezahlen, frage ich.«
    »Ja.«
    »Gut, was fehlt dem Kind?«
    »Ich weiß es nicht, Doktor, es fiebert, hat Schmerzen in der Brust und Kehle … es ist ganz schlimm … Ihr müßt gleich kommen.«
    »Ich komme ja, aber zahlt zuerst fünf Taler, ich will sichergehen.«
    »Fünf …« Dem Dichter blieb vor Entsetzen das Wort im Hals stecken. »Die habe ich nicht.«
    »Dann könnt Ihr gleich wieder verschwinden.«
    »Doktor, ich bin ein armer Mann.«
    »Daß Ihr keiner von den Fuggers aus Augsburg seid, sieht man Euch an. Deshalb bin ich ja auch gleich auf fünf Taler heruntergegangen.«
    »Ich habe nur zwei.«
    »Vier sind mein letztes Wort.«
    »Wenn ich aber nur zwei habe!« schrie der Dichter gequält auf.
    »Dann sucht Euch einen anderen Arzt«, erklärte dieses Prachtexemplar eines Helfers der Menschheit vollkommen ungerührt.
    »Doktor!« Der Blick des Dichters wurde irr. »Unser Kind stirbt … vor unseren Augen … glaubt mir!«
    »Wer sagt, daß ich Euch nicht glaube?«
    »Dann müßt Ihr kommen!«
    »Ich erkläre Euch zum letzten Mal, ich komme, wenn Ihr mir vier Taler zahlt.«
    Der Dichter explodierte.
    »Seid Ihr denn noch ein Mensch?« brüllte er, urgewaltig den Haß der ganzen Welt auf diesen Arzt schleudernd, dem Geld vor Leben ging. »Habt Ihr denn kein Herz im Leih? Unser Kind stirbt, und Ihr, Ihr redet vom schnöden Mammon! Schämt Ihr Euch nicht? Fürchtet Ihr nicht die Strafe Gottes?«
    »Schreit hier nicht rum, ich warne Euch.«
    »Ich muß schreien, sonst hört Ihr mich nicht, weil Ihr taub seid gegenüber meiner Not!«
    »Wenn ich die Büttel rufe, wird Euch ganz rasch das Brüllen vergehen.«
    Der Arzt hatte nach einer Pfeife gegriffen, die er sich nun gemächlich stopfte.
    »Drei Taler«, sagte er und setzte rasch hinzu: »Aber ich schwöre Euch bei allen Heiligen, daß das wirklich mein letztes

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