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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihren schwachen Körper in seine Arme und streichelte ihr das blasse Gesicht. Sie sah ihm in die Augen, entdeckte darin seinen grenzenlosen Schmerz, seine Angst, aber auch seinen Willen, trotzdem stark zu sein, und sie begann zu schluchzen.
    Und es wimmerte das Kind.
    Der Abend kam, fahl wurde das Licht. Die Wände wurden grau, grau trat der Tod ins Zimmer und kam langsam auf das Lager zu.
    Da war es dem Dichter, als schwebe eine tiefe Feierlichkeit durch den Raum. Keinen Schmerz spürte er vorübergehend mehr, kein Würgen in der Kehle und kein Brennen in den Augen, war doch in das Ende, das der Tod brachte, auch die Erlösung mit eingeschlossen. Dem Dichter schien es, als glitte er hinab in einen weiten Raum voll Wolken, die ihn schwerelos von dannen trugen.
    Dunkel war es dann. Das Wimmern wurde schwächer. An des Dichters Brust schluchzte seine Frau, die Mutter des sterbenden Kindes, eine mater dolorosa, und er strich ihr unentwegt über das Haar.
    Tröste sie, dachte er, tröste sie und mich selbst mit dem Mittel, das mir geblieben ist – mit der Kunst.
    Tröste sie, hemme nicht die Stunde, da die Kunst von selbst spricht, und sei sie auch nur dem verständlich, der ihr die Seele zu öffnen weiß.
    Und leise schwebte die Dichterstimme durch die Dunkelheit, während er den Kopf der Schluchzenden aufrichtete und ihr in die Augen blickte:
    »Rose, deine Augen leuchten,
wenn die Perlen Morgentau
deinen tiefsten Leib durchfeuchten –
Rose, blüh, wenn ich dich küß.«
    Und er küßte sie auf Augen, Mund und Wangen, und sie hielt still, während die Tränen liefen und der Körper im Schluchzen erbebte.
    Schwächer, immer schwächer wurden die Laute des Kindes.
    Er trocknete ihm die Stirn, streichelte die kleinen Hände.
    O Gott, mein Gott, stärke uns, damit wir das aushalten, stärke uns beide, mich, den Vater, und noch mehr sie, die Mutter.
    Unendlich liebevoll nahm er sie wieder in seine Arme.
    »Zarter Atem deines Duftes,
ewig meines Herzens Glanz,
nährend zarte Blütenpracht,
spiegelst Wangen, die ich koste.«
    Da fühlte er es naß in seinen Augen werden, und etwas lief über die Wange zum Kinn – eine Träne. Doch er wischte sie nicht ab, ließ sie nicht verschwinden, nein, er zeigte sie, war stolz auf sie. So stolz!
    Nur noch ganz schwach drang das Wimmern des Kindes durch die tiefe Dunkelheit. Plötzlich wurde es noch einmal zu einem Stöhnen, hell, langgezogen, das in ein rasselndes Röcheln überging.
    »Es stirbt«, flüsterte die Mutter an der Brust ihres Mannes.
    Und das Röcheln wurde schwächer.
    Da nahm der Vater die eine Hand des Kindes, legte sie in die zuckenden Finger der Mutter und überdeckte beide Hände mit seinen eigenen. Die Tränen rollten über sein Gesicht, und gebrochen klang seine Stimme in der Finsternis, als er deklamierte:
    »Komm, laß uns verzaubert träumen,
wachend sein im Paradies.
Harfen klingen, Engel singen
in mir, um mich, auf zu dir.«
    Zwischen seinen Fingern zuckten die der Mutter des Kindes, das sich aufbäumte, stöhnte, wimmerte, aufschrie und wieder röchelte. Bei dem Schrei war er zusammengefahren und hatte seine Frau fest an sich gepreßt.
    Der unsichtbare, aber spürbare Tod stand nun ganz nah am Bett. Der Dichter legte den sterbenden kleinen Körper zurecht und streichelte das nasse Gesicht. Und zugleich strich auch der Tod langsam mit der Hand über das Haupt des Kindes.
    Der Dichter fühlte es. Ein stechender Schmerz jagte ihm durchs Herz, ein Schrei würgte in der Kehle, unterdrückt, zurückgedrängt von dem Willen, stark zu sein. Der Schrei unterblieb also fast ganz; nur ein dumpfer Laut wurde vernehmbar, hohl, leblos wie das Herz des Dichters und wie das Gesicht, das er an seine Brust gedrückt hielt.
    »Leben flieh, laß mich äonisch,
Geister in die Gruft, hinweg!
Sterbend netzen meine Lippen,
Rose, dich, im Bußgebet.«
    Und er küßte das Kind. Da wurde das Röcheln schwächer und schwächer, der kleine Körper streckte sich, ein langer Atemzug hob die magere Brust, ein Atemzug, der wie ein schwaches Pfeifen klang … dann war es still. Unhörbar ging der graue Gast, und der Dichter drückte seinem Kind die Augen zu.
    Ohnmächtig war die Frau geworden. Stumm hob er sie hoch, trug sie auf seinen Armen zu dem Strohlager in der Ecke, hüllte sie in eine alte Decke und wankte dann zurück an seinen kleinen Tisch, setzte sich hin und stützte den Kopf in seine Hände. Und endlich brach der Wille, stark zu sein, in sich zusammen. Stöhnend erlaubte der

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