Sieg des Herzens
»Das ist ja interessant. Ich habe gerade gehört, daß ... eine Witwe in der Stadt...«
»Ich brauche keine Witwe, Sir. Der Mann stirbt nicht daran, daß er lange keine weibliche Gesellschaft mehr hatte. Er braucht einen Arzt!«
Erschrocken sah Granger sie an, da er davon ausgehen mußte, daß Sydney geglaubt hatte, er habe von der Witwe gesprochen, weil sie eine Prostituierte sei.
»Miß Sydney! Dieser Krieg fordert sowohl den Männern als auch den Frauen einiges ab. Ich habe Ihnen von dieser Frau erzählt, weil sie im Moment in Washington das Hauptgesprächsthema bildet. Man sagt, sie könne durch Handauflegen heilen.« Nachdenklich die Stirn runzelnd fuhr er fort: »Da fällt mir ein, daß ihr Aufenthalt hier irgendwie etwas mit einem McKenzie zu tun hat.«
»Bitte? Was wollen Sie denn damit sagen?«
»Sie wird bald zu den Chirurgen von General Magee hinausreiten, um sie bei der Behandlung unserer Jungs in den Feldlazaretten zu unterstützen. Sie ist eine Yankee aus Florida, müssen Sie wissen!«
»Ja, gibt's denn so was auch?« murmelte Sydney, bemüht, nicht allzu sarkastisch zu klingen, weil sie Granger ganz gern hatte.
»Jetzt fällt's mir wieder ein!« sagte er dann. »Es hat nicht nur irgendwie etwas mit Ihrer Familie zu tun. Es war Ihre Schwägerin, die die Dame hergeschickt hat. Ich kann Mrs. Tremaine - so heißt sie - herkommen lassen, wenn Sie möchten und mir vorher genau sagen, was mit welchem Gefangenen nicht stimmt.«
Sydney zögerte. Sie mußte den Fuß des Mannes erst einmal selbst begutachten. Wenn der arme Gefreite in schlechter Verfassung war, würde er eine Operation brauchen und keine Magie. Allerdings wollten die Soldaten oft lieber sterben, als einen Chirurgen der gegnerischen Seite an sich heranzulassen.
»Wenn ich Hilfe brauche, Sergeant, sage ich Ihnen morgen Bescheid.«
»Nun, wir sind keine Unmenschen, Miß Sydney, aber das werden Sie ja wohl wissen.«
»Ja, natürlich weiß ich das, Sergeant Granger.«
»Sie kommen morgen also wieder her?«
»Ja, Sergeant. Ich versuche, die Jungs hier bei Laune zu halten.«
»Kehren Sie deshalb nicht nach Richmond zurück, um dort im Krankenhaus zu helfen?«
»Ja«, entgegnete Sydney. Dann fragte sie ihn verwundert: »Welchen Grund sollte ich denn sonst haben?«
»Sie werden mir doch nicht spionieren und Nachrichten hin- und herschmuggeln?«
»Von eingesperrten Männern? Sergeant! Was sollten die schon wissen, was es wert wäre, hinausgetragen zu werden?«
»Passen Sie auf sich auf, Miß Sydney!«
»Oh, das werde ich, Sergeant.«
Der Schweiß rann Julian in die Augen.
In dem Lazarettzelt war es so heiß, daß er das Gefühl hatte, als ob sich die Luft verflüssigt hätte und nun um ihn herumwaberte, um die furchtbaren Verletzungen, die sich die Männer in der Schlacht zugezogen hatten, noch schlimmer erscheinen zu lassen. Alle behaupteten immer, daß es in Florida unerträglich heiß sei und einen die Moskitos plagten, aber ihm war in seinem Heimatstaat noch nie so warm gewesen wie hier in Virginia.
Es war noch keine Woche her, daß er sein Basislager verlassen hatte, um sich der regulären Armee anzuschließen. Mit dem Zug war er zu seinem neuen Einsatzort gefahren, und die letzten paar Kilometer bis zum Lager, das sich etwas außerhalb des Bahnhofs von Brandy befand, hatte er zu Fuß zurückgelegt. Gott mochte ihm verzeihen, aber es hatte ihm wirklich gefallen, der ranghöchste Offizier der Miliz zu sein - der, der die Befehle gab. Nun war er nur noch ein Hauptmann in der Armee von Nordvirginia. Er wurde zwar nach wie vor respektiert, hatte die Verantwortung für das Feldlazarett, und die ihm unterstellten rangniederen Offiziere fügten sich auch seinen Anweisungen. Aber es gab jetzt so viele Bereiche, auf die er keinen Einfluß mehr hatte.
Es war erst zwei Tage her, daß der bekannte Konföderiertengeneral Jeb Stuart - dem seine Studienkollegen von West Point wegen seines braven Gesichts, das mittlerweile hinter einem dichten Vollbart viel verwegener aussah, den Beinamen Schönling verpaßt hatten - in Brandy eine Inspektion seiner Truppen abgehalten hatte. Aber er war von einer Kavallerieeinheit der Union überrascht worden, die sich ein Bild davon machen wollten, wie weit Lees Truppenbewegungen schon gediehen waren.
Daraus hatte sich eine Schlacht mit zwanzigtausend Berittenen entwickelt.
Brent hatte bis kurz vor der Schlacht gewartet, um Julian noch zu treffen, aber als dieser ankam, teilte man ihm mit, daß sein Vetter
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