Sieg des Herzens
schon anderen geholfen«, sagte Rhiannon, »obwohl es...«
»Obwohl was?« fragte Sydney.
»Nun, ich meine, das ist keine Garantie dafür, daß er es überleben wird. Wenn man, was das angeht, einigermaßen sichergehen wollte, müßte man ihm den Fuß sofort abnehmen.«
Sydney sah sie eindringlich an: »Sie wollen ihn doch nicht etwa umbringen, indem Sie es so lange hinausziehen, bis er keine Chance mehr hat?«
Rhiannon erwiderte Sydneys Blick und überlegte, bevor sie ihr antwortete, daß deren Frage vielleicht nicht nur daher rührte, daß sie ihr feindlich gesonnen war, sondern auch dadurch begründet sein könnte, daß sie sich richtig Sorgen um den Mann machte.
»Nein, ich will ihn nicht umbringen«, sagte sie schließlich. »Entschuldigen Sie bitte, aber gehe ich recht in der Annahme, daß Sie mich kommen ließen?«
»Ja, das stimmt - auf Sergeant Grangers Vorschlag hin. Er hat die Leute darüber reden hören, daß Sie eine Hexe seien. Bitte nehmen Sie das nicht persönlich.«
»Ich bin deshalb nicht beleidigt. Ich wünschte manchmal, wirklich magische Kräfte zu haben. Aber alles, was ich kann, habe ich mir angeeignet, indem ich zugesehen habe, wie andere es machen. Nun ja, das meiste davon. Und dann lese ich viel darüber und ...«
»Und?«
»Und ich habe mit Ihrem Vetter Julian gearbeitet.«
»Aha«, sagte Sydney mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme.
»Was soll denn das nun wieder heißen?« fragte Rhiannon.
»Nun, Sie sind schon etwas ganz Außergewöhnliches. Man hat mir erzählt, daß Sie auch Verbindungen zu General Magee haben - durch meine Schwägerin Risa. Außerdem sind Sie hier reingekommen und haben sofort meine Ähnlichkeit mit Julian festgestellt - nicht etwa mit Ian oder Jerome.«
Rhiannon hoffte, nicht knallrot zu werden, bei dem Hitzeschub, den Sydneys Worte in ihr auslösten. Sydney ahnte etwas.
»Ich habe Julian einfach als ersten kennengelernt.«
»Aber Sie sind doch eine Unionsgetreue.«
»Na und?«
»Was hatten Sie dann mit Julian zu tun?«
»Wissen Sie, meine Liebe, für eine wohlerzogene junge Dame stellen Sie reichlich viele Fragen.«
»Ich habe nie behauptet, daß ich eine wohlerzogene junge Dame bin. Also, wie haben Sie ihn kennengelernt?«
»Er hat in meinem Haus Schutz gesucht.«
»Und Sie haben ihn reingelassen?«
»Nun, ich hatte keine andere Wahl. Einer seiner Männer behauptete, daß sie Yankees seien.«
»Aber Sie wußten, daß das nicht stimmte.<<
»Um ehrlich zu sein, ja.«
»Und Sie haben sie trotzdem reingelassen.«
»Sie sind einfach reingekommen. Ich hatte nicht die Macht, sie abzuweisen.«
»Aha. Und wo haben Sie Jerome getroffen? Bei Risa?«
Jetzt wurde Rhiannon aber wirklich ärgerlich und antwortete stirnrunzelnd: »Nein, nicht in St. Augustine. Man hat mich mit Gewalt in Julians Lager gebracht.« Sie zögerte, bevor sie fortfuhr, da sie nicht sicher war, ob Sydney überhaupt wußte, was mit Jerome passiert war. »Ihr Bruder war verwundet worden...«
»Was?« entfuhr es Sydney, die bisher ganz kühl und zurückhaltend geblieben war, als ob sie das alles eigentlich nicht betraf: Aber nun ballte sie die Hände zu Fäusten, und ihre Augenlider zuckten nervös und ängstlich.
Obwohl sich Sydney Rhiannon gegenüber richtig feindselig benommen hatte, hatte Rhiannon nun doch Mitleid mit ihr und beeilte sich zu sagen: »Es wird ihm bald wieder gutgehen. Eine Kugel steckte in seiner linken Schulter, aber Julian konnte sie herausnehmen.«
»Gab es eine Infektion?« fragte Sydney ganz aufgelöst.
»Es ging ihm ziemlich gut, als ich das Camp verließ.«
»Was hatten Sie eigentlich mit seiner Verletzung zu tun?«
Rhiannon mußte unwillkürlich lächeln, auch wenn ihr nicht danach zumute war.
»Ich habe ihn nicht angeschossen, wenn Sie das meinen, sondern bei der Operation assistiert.«
»Waren seine Frau, meine Cousine und meine Schwägerin auch dabei?«
»Nur Tia hat bei der Operation assistiert. Alaina und Risa konnten nicht so schnell zum Camp kommen. Sie trafen erst danach ein. Und nun wollen wir das Verhör beenden, denn ich denke nicht, daß Sie das Recht haben, mir all diese Fragen zu stellen oder mir wie auch immer geartete Vorwürfe zu machen. Ich bin Ihnen keinerlei Erklärung schuldig. Ich ...« Rhiannon hielt plötzlich inne. »Wieso sind Sie überhaupt hier im Gefängnis?«
Sydney klimperte verlegen mit ihren dicht bewimperten Lidern, bevor sie beinah hauchte: »Ich ... bin eine Gefangene.«
»Was?«
Sydney sah
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