Sieg des Herzens
murmelte sie. »Sind Sie schon lange da?«
»Lang genug. Hatten Sie eine Unterredung mit Gott oder mit Richard?«
Ruckartig hob sie den Kopf und sah ihn wutentbrannt an. Sein sarkastischer Ton verletzte sie. »Diese Situation ist äußerst unangenehm für mich«, sagte sie dann mit schmerzerfüllter Stimme.
»Das kann ich mir vorstellen. Immerhin müssen Sie sich nun eingestehen, daß doch etwas zwischen uns vorgefallen ist, sonst würden Sie mich wohl kaum bitten, mich wie ein Ehrenmann zu verhalten.«
»Ich befürchte leider ... daß das nötig sein wird!« flüsterte sie.
»Und Richard ist wohl gerade ein bißchen zu lange tot, mh?«
»Wie können Sie es wagen, sich über ihn lustig zu machen?«
»Ich mache mich nicht über Tote lustig, Rhiannon, ich zähle nur eins und eins zusammen.«
»Wie gemein!«
»Wir haben Krieg, Rhiannon. Ich schätze, daß einige der Höflichkeitsfloskeln des normalen gesellschaftlichen Lebens nun nicht mehr angebracht sind. Sie haben mich hierherbeordert, weil Sie etwas von mir wollen. Also bitte, reden Sie.«
»Was wollen Sie denn hören?« entgegnete sie aufgebracht.
»Nun, sagen wir ein Eingeständnis, daß doch etwas passiert ist.«
Sie wurde weiß wie die Wand, und für einen Augenblick schimmerten ihre Augen ganz feucht, als sie seinen Blick erwidernd sagte: »O mein Gott, können Sie das denn nicht verstehen? Ich wollte es nicht wahrhaben, daß irgend etwas zwischen uns gewesen ist. Ich kann es immer noch nicht fassen, daß ich ... daß ich...«
»Daß Sie einen Mann aus Fleisch und Blut für Richards Geist gehalten haben?«
Noch immer standen sie sich an den entgegengesetzten Enden des Ganges gegenüber, der von der Tür zum Altar führte. Julian war überzeugt davon, daß sie ihn ansonsten geohrfeigt hätte. Vielleicht hatte er das auch verdient. Möglicherweise war er einfach nur verletzend und grausam. Aber er konnte sich eben nur schwer damit abfinden, erst als Ersatz mißbraucht und dann aus gesellschaftlicher Gepflogenheit einbestellt zu werden. Aber wenn sie wirklich schwanger war...
Abwehrend hob er die Hand und sagte: »Vergessen
Sie's! Wie Sie schon in Ihrem Brief erwähnten, ist dies ein besonders blutrünstiger Krieg. Ich will, daß mein Kind auch mit meinem Namen geboren wird. Es ist doch mein Kind?«
Jetzt sah sie ihn mit offener Verachtung an, und bei jedem Atemzug war ihre Wut hörbar. Dann kam sie erhobenen Hauptes den Gang entlang, entschlossen, die Kirche zu verlassen.
Im Vorbeigehen sagte sie hitzig zu ihm: »Sie sollten das alles hier vergessen!«
Aber er wollte sie nicht gehenlassen, sondern hielt sie am Arm fest und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
»Wo ist der Priester, Rhiannon?«
»Was?«
»Du hast mich doch hergebeten, damit ich dich heirate. Also, wo ist der Priester?«
Sie bekam große Augen. »Er ist... er ist unterwegs. Ich ... ich wollte ein bißchen Zeit, um mit dir allein zu sprechen. Natürlich wollte ich dich erst einmal fragen, ob ...«
»Ob ich dich heiraten will, während du mich gleichzeitig so wütend machst, daß ich gar nicht daran denke?« warf er ihr sanft vor.
»Nein! Ich ... ich ...«, stammelte sie, senkte den Blick und sagte dann: »Verdammt noch mal, du mußt mich heiraten!« Dann sah sie ihn wieder mit feurigen Augen an. »Willst du nun, oder nicht?«
Er zögerte, und ein Lächeln begann sich auf seinem Gesicht auszubreiten.
»Wenn du nur gekommen bist, um mich zu quälen, dann laß mich bitte los ...«
»Ich soll dich also heiraten? Natürlich, mit dem größten Vergnügen. Wie könnte ich dir nur einen solchen Herzenswunsch abschlagen?«
Ein Geräusch an der Tür ließ ihn herumfahren. Verdammt sollte er sein! So einfach hatte sie ihn alle Vorsicht vergessen lassen. Aber es war nur Pater Vickery, der junge Episkopalpriester aus Georgia.
»Es tut mir leid, daß ich so lange gebraucht habe«, sagte er entschuldigend und strich sich nervös sein strohblondes
Haar zurück, während er sich beeilte, ins Innere der Kirche zu gelangen. »Aber ich wollte nur sichergehen, daß ich den Spruch für die Trauung auch richtig aufsagen kann, damit alles legal ist.«
»Natürlich!« sagte Rhiannon freundlich. »Man hat Sie bestimmt hergeschickt, damit Sie uns helfen, nicht wahr?« erkundigte sie sich dann.
Julian beobachtete sie. Hatte sie damit gerechnet, daß ein Priester auftauchen würde? Oder nahm sie an, daß Vickery von ihren Yankee-Kohorten geschickt worden war?
Der junge Priester räusperte sich
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