Sieg des Herzens
und sagte dann: »Wir brauchen auch Zeugen.« Mit diesen Worten öffnete er die Tür noch ein paar Zentimeter weiter und ließ zwei junge Frauen herein. »Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, diese beiden Damen so schnell wie möglich aufzutreiben!« Die Mädchen lächelten.
»Das ist alles so romantisch!« sagte die etwas Rundlichere von beiden. »Ich bin Emma Darrow, und das ist meine Schwester Lucy.«
»Es ist einfach wunderbar, so wunderbar!« pflichtete ihr die andere bei.
»Danke, daß Sie gekommen sind«, murmelte Rhiannon.
»Wir fühlen uns geehrt«, warf Emma ein und kicherte.
»Es ist einfach wunderbar!« sagte Lucy wieder.
»Wir müssen uns beeilen, damit wir schleunigst zurückkönnen. Die Sonne geht bald auf!« stieß Pater Vickery hervor, während er Rhiannon bei der Hand faßte und mit ihr in Richtung Altar hastete. »Sie stellen sich dorthin. Ich werde Sie selbst zum Altar geleiten. Sie sind doch die Dame, die sich trauen lassen will, oder?«
»Ja, das muß sie wohl sein, Pater«, entgegnete Julian trocken, da Rhiannon neben den Trauzeuginnen doch die einzige Frau war, die sich noch in der Kirche befand. Wenn das Ganze nicht so traurig gewesen wäre, hätte ihn die unbeholfene Art des Paters wirklich amüsiert.
Vickery, der tatsächlich ziemlich nervös zu sein schien, hatte sich schließlich soweit gesammelt, daß er mit dem Zeremoniell beginnen konnte. Er redete sehr schnell, aber deutlich.
Als Rhiannon an der Reihe war, Julian ihr Jawort zu geben, starrte sie ihn bloß an und sagte nichts.
Natürlich nicht! Das alles mußte ihr ja wie ein Deja-vu-Erlebnis Vorkommen. Sie hatte schon einmal geheiratet, und die Erinnerung daran war sicherlich sehr schmerzlich. Bestimmt hatte sie damals nicht vorgehabt, das alles zu wiederholen.
Julian drückte ihre Hand nun so fest, daß ihr ein Schrei entfuhr, aber dann sprach sie die Worte, die ihr zuvor im Halse steckengeblieben waren, laut und deutlich aus. Julian, der ihre Hand weiterhin fest umklammert hielt, versprach seinerseits, sie zu lieben und zu ehren, solange sie beide lebten - und besonders das letztere betonte er äußerst feierlich. Dann steckte er ihr seinen Siegelring mit dem Familienwappen als Trauring an den Finger.
»Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Küssen Sie Ihre Braut!« sagte Pater Vickery noch und machte sich dann eiligst auf den Weg zur Kirchentür. Er konnte es gar nicht erwarten, endlich aus der Kirche zu verschwinden, und rief den beiden Trauzeuginnen ungeduldig zu: »Emma, Lucy, kommt schon!« Und zu Julian gewandt: »Sie müssen sich beeilen. Küssen Sie jetzt endlich Ihre Frau und kommen Sie mit uns!« Das war seine letzte Warnung, bevor er regelrecht aus der Kirche floh.
Aber Julian wagte nicht einmal, den Arm um seine Braut zu legen. »Das wolltest du doch, oder nicht?« fragte er Rhiannon schließlich, die aussah, als ob sie jeden Moment ohnmächtig würde. »So oder so ist nun nichts mehr daran zu ändern«, fügte er kurz angebunden hinzu. »Trotzdem mußt du mich jetzt entschuldigen, Rhiannon, ich kann mich hier wirklich nicht noch länger aufhalten. Aber ich warne dich und bete zu Gott, daß du vernünftig genug bist, dich nicht in Gefahr zu bringen.« Dann wandte er sich von ihr ab.
»Warte!« rief sie ihm nach, und er drehte sich noch einmal zu ihr um.
»Bitte, bleib! Nur noch eine Minute ...«, flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
Ganz unvermittelt warf sie sich ihm da in die Arme, und er roch wieder ihren dezenten, verführerischen Rosenduft und spürte ihre Finger an seinem Haaransatz im Nacken. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, und ihr Mund berührte seine Lippen, während ihre Zunge sich gegen seine Zähne drängte, bis er sich ihr schließlich öffnete. Erstaunt registrierte er noch, wie bereitwillig sie plötzlich auf ihn zukam. Aber all die Wochen der Enthaltsamkeit hatten seiner Beherrschung derart zugesetzt, daß ihn der Hunger nach ihr jetzt zu zerreißen drohte und sein Herz und seinen Verstand völlig vereinnahmte. Leidenschaftlich erwiderte er ihren Kuß, wobei er sie fest an sich gedrückt hielt und seine Lippen auf ihre preßte. Sie regelrecht verkostend, bewegte er seine Zunge in ihrem Mund und ließ seine Hände über ihren Körper wandern - in Erinnerung an diese kurze wunderbare Zeit in jener Nacht, die es bis zu diesem Augenblick gar nicht hatte geben dürfen ...
Allmählich drangen Geräusche zu ihm durch, die jenseits der Kirchenmauern
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