Sieg des Herzens
herum immer mehr verschwamm. Egal! Mit letzter Kraft gelang ihm ein Lächeln, und er raunte ihr zu: »Ich schwöre dir, mein geliebtes Eheweib, das wird dir noch leid tun.«
»Er ist ohnmächtig, Ma'am. Wenn ich Ihnen die Hand reichen darf...«, bot ihr einer der jungen Reiter an.
Rhiannon sah zu dem Mann hoch und nickte. Dann blickte sie noch einmal zu Julian, der mit geschlossenen Augen neben ihr lag. Die schwarze Locke über seiner Stirn hätte sie ihm am liebsten zurückgestrichen. Gerne hätte sie auch sein Gesicht gestreichelt und wäre bei ihm geblieben, bis er wieder zu sich kam, um sich zu vergewissern, daß er nicht ernsthaft verletzt war. Bestürzt darüber, zu welcher Erkenntnis sie gerade gekommen war, biß sie sich auf die Unterlippe - auch wenn sie sich diese neue Wahrheit nur selbst eingestehen mußte.
Dann flüsterte sie ihm zärtlich zu: »Du wirst nie erfahren, mir niemals glauben, daß ich das alles nur getan habe, weil ... ich dich liebe!« Dabei wußte sie genau, daß weder er noch sonst irgend jemand sie hatte verstehen können. Danach ließ sie sich von dem Soldaten aufhelfen.
Plötzlich hörten sie Kanonenfeuer, das in unmittelbarer Nähe zu sein schien.
»Hebt den Gefangenen hoch und bringt ihn ins Feldlazarett!« befahl Magee. »Der Tag hat begonnen, meine Herren, und darf ich Sie daran erinnern, daß hier und heute das Schicksal unserer Nation entschieden wird!«
Das Schicksal der Nation! Was würde mit den vielen Menschen hier geschehen? Aber sie konnte das Töten und die Zerstörung nicht aufhalten. Niemand konnte das. Und doch fragte sie sich, ob sie wenigstens Julians Schicksal einen anderen Lauf gegeben hatte. Hatte sie wirklich die Kraft dazu? Sie war bereit gewesen, alles aufs Spiel zu setzen, um den Ausgang ihres Traumes zu ändern. Aber was hatte sie denn nun damit erreicht? Sie hatte Julian getäuscht und betrogen, obwohl sie ihn doch nur hatte retten wollen - so wie er sie gerettet hatte -, um jetzt Gefahr zu laufen, daß...
Sie hatten sich gegenseitig ausgetrickst und waren nun, wenn Julian, was den Pater anging, die Wahrheit gesagt hatte, nur noch tiefer in dieses heillose Durcheinander geraten. Besonders, da auch sie in einem Punkt nicht gelogen hatte.
Schicksal! War das etwa alles vorherbestimmt gewesen, von diesem ersten Abend an, da er durch die Wildnis zu ihrem abgelegenen Haus geritten und in ihr Leben getreten war?
18
Es gab wohl kaum etwas Schlimmeres als das Lärmen einer Schlacht, dachte Julian.
Zusammen mit anderen Gefangenen, meist Soldaten der Infanterie und Artillerie, die man während des Kampfes gefangengenommen hatte, saß er eng gedrängt auf einem Holzstamm hinter dem Feldlazarett der Yankees und hörte dem Kanonendonner zu, der gar nicht mehr aufhören zu wollen schien. Dabei war genau zu unterscheiden, daß abwechselnd die eine und dann die andere Seite schoß.
Aus dem ersten Gefechtstag waren die Konföderierten mit einem Vorteil hervorgegangen: Sie hatten die Stadt eingenommen und die Yankees gezwungen, sich zurückzuziehen. Am zweiten Tag waren die Kämpfe um so schlimmer geworden, und es war nicht zu sagen, wer die Oberhand behalten hatte. Am dritten Juli kämpften die Armeen wieder gegeneinander, obwohl die Toten des Vortages noch überall herumlagen, die Zahl der Verwundeten erschreckend hoch und das Schlachtfeld blutgetränkt war.
Julian war es müde - nein, mehr als das -, er war es leid, noch länger so nutzlos herumzusitzen, während so viele Männer verwundet wurden und starben, weil sich keiner um sie kümmern konnte. Während er die Gewehrsalven, das Schreien der Männer und Wiehern der Pferde hörte, verfluchte er immer wieder seine Dummheit. Nicht so sehr um seiner selbst willen, sondern um der Männer willen, die ihn brauchten.
Das Schlachtfeld war riesengroß und erstreckte sich über Hügel, Felder, Obstgärten, Straßen und einen Friedhof. Er wußte nicht, wo sich seine eigene Truppe befand, und was noch schlimmer war, er wußte nicht, wo sich Rhiannon aufhielt. Sie war irgendwo inmitten des Geschehens, und er war völlig machtlos.
Er fühlte eine gewisse Genugtuung, da es ihm gelungen war, auch sie hinters Licht zu führen. Aber dieser Triumph hatte einen schalen Beigeschmack. Sie war nun zwar seine rechtmäßige Frau, aber das brachte ihn im Augenblick auch nicht weiter: Denn nun saß er hier als Kriegsgefangener und stand unter Bewachung.
Mit einemmal wurde seine Aufmerksamkeit von einem näher kommenden Rufen in
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