Sieg des Herzens
spürte sie plötzlich eine sachte Bewegung in ihrem Bauch. Zuerst wußte sie gar nicht, was es sein könnte, aber dann wurde ihr klar, daß es das Kind sein mußte. War es nicht noch zu früh dafür? Sie atmete tief durch und setzte sich im Bett auf. Wahrscheinlich hatte sie es sich nur eingebildet. Aber dann bewegte es sich wieder, und sie mußte unwillkürlich lachen, während ihr Freudentränen über das Gesicht liefen. Überall war sie von Tod und Zerstörung umgeben und wußte nicht, was die Zukunft ihr bringen würde, aber das Leben, das sie in sich trug, wuchs und gedieh. Es war wie ein Wunder!
Julian war ihr so böse gewesen, weil sie ihn durch ihren Trick in Gefangenschaft gebracht hatte, aber er war wenigstens noch am Leben. Und was er auch immer für sie empfand, dieses Kind würde einen Vater haben. Rhiannon wollte, daß er im Gefängnis blieb, weil er da am besten aufgehoben war.
Aber am nächsten Morgen, als sie beim Kaffee eine Unterhaltung einiger Soldaten mitbekam, konnte sie nicht umhin, sich doch Sorgen zu machen.
»Jetzt sitzen wir schon bald einen Monat hier rum, während Lee seine Truppen neu zusammenzieht«, beklagte sich aufgebracht ein Sergeant.
»Wenn die Generäle uns damals hätten weiterkämpfen lassen, läge dieser vermaledeite Krieg schon lange hinter uns«, entgegnete ein ziemlich mitgenommen aussehender Gefreiter.
»Gettysburg, Vicksburg ... und habt ihr schon davon gehört, daß sie diese Belle Boyd schon wieder ins Alte Kapitol gesperrt haben?«
»Na, lang wird sie da nicht drin bleiben! Habt ihr die Frau mal gesehen? Sie hat sich schon einmal aus der Gefangenschaft geflirtet und wird es wieder tun! Und nun ist sogar ein Gentleman aus dem Süden da, um ihr Gesellschaft zu leisten.«
»Nun, die beiden werden auf jeden Fall für ein paar Schlagzeilen in den Washingtoner Zeitungen sorgen.«
»Die beiden?« fragte nun einer, der gerade erst dazugekommen war.
»Der Rebellendoktor McKenzie und sie. Sie ist mit Fieber eingeliefert worden, und er hat sie behandelt.«
Die Männer lachten, und Rhiannon zog sich rasch in ihr Zelt zurück, setzte sich aufs Feldbett und versuchte, ein Zittern zu unterdrücken, das sie vor Wut zu überkommen drohte. Mit geballten Fäusten saß sie da, während die Eifersucht von ihr Besitz ergriff. Sie hatte Belle Boyd noch nie gesehen, aber man sagte, daß die Südstaatenspionin eine außergewöhnliche Schönheit sei. Und jetzt war diese Frau zusammen mit Julian eingesperrt, der sie - Rhiannon -zwar geheiratet, aber doch auch verflucht hatte. Und ihre zweite Liebesnacht lag nun schon wieder so lang zurück, daß sie kaum noch wahr zu sein schien. Vielleicht war Julian damals in Gettysburg nur zu ihr gekommen, weil es ihm zustand und er lange keine Frau mehr gehabt hatte. Wer weiß, wie er nun von ihr dachte: Möglicherweise erwiderte er ihre Liebe gar nicht; wahrscheinlich haßte er sie immer noch dafür, daß sie ihn in diese Lage gebracht hatte.
Aber das war jetzt egal, solange er nur am Leben blieb! versuchte Rhiannon sich einzureden. Aber es tat so weh, o Gott, wie sie die Vorstellung schmerzte, daß er sich einer anderen Frau zuwenden könnte. Als sie mit Richard verheiratet gewesen war, hatte sie sich über dessen Treue nie Gedanken machen müssen. Dabei hatte sie sich ja gar nicht in Julian verlieben wollen. Er war einfach so in ihrem Leben aufgetaucht ... Und dann hatte sie ihn näher kennengelernt, und er hatte sie nicht mehr losgelassen...
Wenn auch er starb, hätte sie das wohl kaum noch einmal ertragen. Aber er war nun ein Gefangener und in Sicherheit. Das versuchte sie sich immer wieder klarzumachen. Aber in der folgenden Nacht träumte sie erneut von ihm, und diesmal sah sie ihn in einem Sarg...
21
Sydney ging zur Haustür, drehte sich dann aber abrupt um, und wie sie erwartet hatte, stand Sissy auch schon hinter ihr. Daß ihr ehemaliges Hausmädchen nun auf sie aufpaßte, gehörte zu der Abmachung, durch die sie ihre Freiheit wiedererlangt hatte.
Sydney wohnte immer noch mit Maria in dem kleinen Haus - nur daß Sissy nun auch bei ihnen eingezogen war. Sydney war nicht in das Haus ihres neuen Gatten gezogen, da er ohnehin nicht da war. Außerdem hatte Jesse ihr ziemlich leidenschaftslos erklärt, daß sie relativ leicht eine Annullierung der Ehe erwirken könne, falls er im Feld bleiben sollte. Wenn sie in jener Nacht nicht so unendlich wütend und außer sich gewesen wäre, hätte sie ihm gesagt, daß Gott es niemals zulassen
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