Sieg des Herzens
würde, daß ein so netter Mann wie er sein Leben lassen müßte. Aber jetzt hatte sie einfach nur Angst vor dem, was noch alles geschehen könnte. Der liebe Gott hatte auch schon zugelassen, daß so viele andere feine Männer starben. Sie konnte nur dafür beten, daß Jesse - wo immer er auch sein mochte - nach seiner letzten Verwundung wieder ganz auf die Beine kam.
Sydney hatte den Eindruck, daß Maria ganz froh war, daß es nun mit ihren Spionagetätigkeiten ein Ende hatte. Am Anfang war Maria leidenschaftlich bei der Sache gewesen und auch sehr wagemutig. Aber dann hatte sie ein immer schlechteres Gefühl dabei gehabt, und seit jener Nacht, in der man Sydney gefaßt und sie diese Vorahnung gehabt hatte, war Maria regelrecht ängstlich geworden.
Jesse war in der Nacht, in der er Sydney geheiratet hatte, um sie so zu befreien, zuvor zu Maria gegangen. Er hatte ihr erklärt, daß Sydney nun einmal aufgeflogen sei und sie nichts mehr in diese Richtung unternehmen dürften und daß ihnen Sissy als Aufsicht zugeteilt würde, bis er nach Washington zurückkäme, um neue Regelungen für seine Frau zu treffen.
Maria akzeptierte nur allzu bereitwillig die Situation. Natürlich waren sie seitdem Sissy gegenüber beide ziemlich kalt und abweisend, aber die schöne junge schwarze Frau sah einfach darüber hinweg. Sie begleitete Sydney fast überall hin. Aber wenigstens beharrte sie nicht darauf, mit in die Zelle von Julian gelassen zu werden. Sissy wartete dann draußen, bis Sydney das Gefängnis wieder verließ.
»Na, Sissy, bist du fertig?«
»Natürlich, Mrs. Halston.«
Sydney senkte den Blick und dachte, daß Sissy es irgendwie immer hinkriegte, zwar höflich zu sein, sich aber auch gleichzeitig über sie lustig zu machen.
»Wir gehen ins Alte Kapitol...«
»Ich weiß.«
Erstaunt taxierte sie ihre ehemalige Hausangestellte und fragte dann: »Hast du denn gar nichts dagegen einzuwenden? Keine Ermahnungen oder Warnungen? Wie etwa: Helfen Sie keinem Rebellen zur Flucht, Ma'am, sonst werden Sie gehängt, und ich sorge dafür, daß die Schlinge sich auch richtig fest zuzieht?«
Sissy erwiderte ihren Blick und entgegnete unbeirrt: »Miß Sydney, Ihr Vetter ist Chirurg, er hat viel zuviel dort zu tun, um an Flucht zu denken. Und falls dem nicht so sein sollte, wird sich schon sein Bruder darum kümmern, daß er ausgetauscht wird. Wenn ich richtig informiert bin, wurde Dr. McKenzie gefangengenommen, weil er einst General Magees Fuß gerettet hat und weil...«
»Weil ihn seine jetzige Frau in die Falle gelockt hat«, beendete Sydney trocken Sissys Satz.
»Sie wollte nur, daß er am Leben bleibt.«
»Nun, Sissy, gerade du müßtest doch wissen, daß es Dinge gibt, die schlimmer sind als der Tod. Das ist doch genau das, was die Gegner der Sklaverei immer behaupten: daß die Sklaverei schlimmer sei als der Tod.«
»Bezweifeln Sie das etwa?«
Sydney zögerte mit der Antwort, da sie sich nun wieder daran erinnerte, wie es war, der Freiheit beraubt zu sein. »Meine Familie hat niemals Sklaven gehalten, Sissy. Ganz im Gegenteil, das Volk, dem meine Urgroßmutter ent-stammt - die Seminolen hat den entflohenen Sklaven immer geholfen.«
»Dann hat das Volk ihrer Urgroßmutter aber ein dickes Lob verdient, Mrs. Halston.«
»Du warst doch überhaupt keine Sklavin«, entgegnete ihr Sydney.
»Ich wurde nicht als Sklavin geboren, das stimmt«, sagte Sissy plötzlich richtig wütend und begann, sich zu Sydneys großem Erstaunen, das Kleid aufzuknöpfen, um ihr dann den bloßen Rücken zuzukehren.
Entsetzt über die schrecklichen Narben, die sich dort befanden, verschlug es Sydney die Sprache.
»Ich bin nicht als Sklavin geboren, Miß Sydney, aber mich haben ein paar Männer aufgegriffen, um mich meinem angeblichen Herrn zurückzubringen, einem Plantagenbesitzer in Alabama. Man hat Papiere gefälscht, und ruck, zuck war ich eine Sklavin. Wer hört schon auf einen Nigger, wenn ein reicher weißer Mann etwas anderes behauptet? Sie wissen, daß das so ist. Und als ich ihm nicht bei allem zu Willen sein wollte, schlug er mich.«
»Sissy, die meisten Herren sind nicht so. Sie kennen den Wert ihrer Sklaven, häufig mögen sie sie sogar...«
»So etwas Lächerliches habe ich ja wohl überhaupt noch nie gehört. Sie verstehen auch gar nichts! Einige Menschen sind gute Menschen, das mag wohl so sein. Ja, ich selbst habe sogar einige wirklich anständige Weiße kennengelernt, sowohl hier im Norden als auch im Süden. Aber es gibt viel
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