Sieg des Herzens
Sie ein Rebell sind.«
»Gott mit Ihnen, Rachel.«
Mit diesen Worten ging er noch einmal zu ihr, nahm ihr Gesicht in beide Hände, beugte ihren Kopf ein wenig nach vorn und gab ihr einen Kuß aufs Haar. Dann drehte er sich um und rannte hinaus.
Liam Murphy hielt die Zügel seines Pferdes und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Auch Corporal Lyle, Kyle, Keith, Daniel und Jim warteten schon ungeduldig auf ihn. Schnell saß er auf und nickte Liam zu, um ihm zu verstehen zu geben, daß er seinen stummen Hinweis, die Yankees seien schon fast bei ihnen, verstanden hatte. Er wies auf einen Seitenpfad, der vom Vorplatz wegführte, und trieb sein Pferd an. Die ändern folgten ihm. Bald erreichten sie einen dicht stehenden Kiefernwald, der östlich des Anwesens lag. Als sie weit genug vom Haus entfernt waren, zog er seinem Pferd die Zügel an und sagte: »Corporal Lyle, sehen Sie zu, daß alle zum Camp zurückkommen, und zwar auf direktem Wege. Keine Eskapaden unterwegs!«
»Und Sie, Sir?«
»Ich werde mich mal umsehen, wo die Yankees überall sind. Und wenn möglich, kehre ich noch einmal um, um mich mit Mrs. Tremaines Vorrat an Arzneien einzudecken. Ich werde im besten Fall nur wenige Stunden nach euch im Lager ankommen.«
»Jawohl, Sir«, entgegnete Corporal Lyle, wendete sein Pferd und bedeutete Liam, voranzureiten.
Julian blickte ihnen noch nach, bis sie zwischen den Büschen und Kiefern verschwunden waren, und machte dann kehrt. Er hielt sich im Schutz der Bäume und konnte von dort aus sehen, daß die Yankee-Kavalleristen mittlerweile das Haus erreicht hatten und gerade absaßen. Ein großer dunkelhaariger Colonel gab den Männern Anweisungen. Erstaunlich, dachte Julian, daß ein Offizier mit einem so hohen Dienstgrad einen so kleinen Trupp befehligt.
»Colonel, sollen wir ausschwärmen?« fragte einer der Männer.
Der Colonel, der auf die Freitreppe zugegangen war, drehte sich daraufhin um und nahm die wild wuchernden Büsche und Bäume in der Nähe des Hauses etwas genauer in Augenschein. Dann schüttelte er den Kopf und sagte: »Diese Rebellen kennen sich hier aus, Shelby. Sie könnten von jetzt ab an bis zum Jüngsten Tag nach ihnen suchen lassen, und sie wären Ihnen doch immer noch einen Schritt voraus.«
Mit einemmal war Julian sich sicher, daß der Yankee-Colonel ihn direkt ansah, denn auch er blickte aus dem Schutz der Büsche zu ihm hinüber. Wenn die anderen nach uns ausschwärmten, würde das nichts bringen, aber du könntest uns wohl finden, dachte er, duckte sich dann und verschwand hinter den Bäumen.
Wieder und wieder tauchte Rhiannon ihr Gesicht ins eiskalte Wasser. Ihr Kopf dröhnte immer noch, sogar schlimmer als zuvor. Sie konnte die Erinnerung an den Traum der letzten Nacht einfach nicht abschütteln. Er schien sie regelrecht zu verfolgen, und sie hatte solche Angst.
Er war von seinem Zimmer aus in ihr Zimmer gekommen - völlig bekleidet! Dann hatte er sie wieder verlassen. - Genau! Sie war ohnmächtig geworden, und dann hatte er das Zimmer wieder verlassen. Und was sie geträumt hatte, waren wirklich nur Träume gewesen. Aber, o Gott, wie lebensecht er sich angefühlt hatte. Aber sie hatte doch wohl nicht... Nein, es war unmöglich, daß sie...
Das kleine Fläschchen Opium, dessen Inhalt sie vergangene Nacht unbedingt noch hatte trinken wollen, stand auf ihrem Nachttisch. Wie hypnotisiert starrte sie es an und fühlte sich dabei noch schlechter. Wieviel hatte sie wohl davon genommen? Auf jeden Fall genug. Wohl eher zuviel. Und dann hatte sie ja auch noch den Wein getrunken und ... auf dem Balkon gesessen und sich bedauert.
Das war seine Schuld. Sonst ging es ihr einigermaßen gut. Immerhin hatte sie bisher noch jeden Tag rumgekriegt. Aber dann mußte er herkommen und sie anlügen, obwohl sie sofort gewußt hatte, daß er ein Rebell war, wie er da in der Tür stand, mit seinem Freund auf der Schulter. Und doch war er ihr irgendwie sympathisch gewesen. Da war etwas in seinen Augen, in diesen wunderschönen Augen, und im Klang seiner Stimme und an den Bewegungen seiner Hände. Sie hatte ihm sogar gerne zugesehen, als er die Kugel geschickt entfernt hatte.
Sie hatte Richard geliebt und vermißte ihn sehr. Dieser Schmerz würde sie wahrscheinlich ihr ganzes Leben begleiten. Aber die Liebe zu ihm und der Verlust hatte sie irgendwie verletzlich gemacht.
Das war nur seine Schuld. Dieser Rebell war schuld.
Nein, eigentlich nicht. Sie hatte vorher Morphium genommen ... und dann reines
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