Sieg des Herzens
Wir sind so schnell geritten, wie wir konnten, nachdem wir Ihre Nachricht erhalten hatten. Ich entschuldige mich noch einmal dafür, daß ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten bereitet habe. Vielleicht sollte ich Ihnen ein wenig Brandy bringen oder ein Glas Wein ...«, bot sich Ian an.
»Nein, bloß nicht!« stieß sie hervor und bemerkte erst danach, wie unhöflich das klingen mußte. »Ich ... ich hätte gerne einen Schluck Wasser, wenn es Ihnen nicht zuviel Umstände macht«, sagte sie dann.
Rachel starrte sie an, als ob sie es verdient hätte, daß es ihr richtig schlechtging, während Ian McKenzie ihr ein Glas Wasser von der Anrichte holte. Rhiannon setzte sich ein wenig auf, nahm das Glas dankbar entgegen und leerte es in einem Zug. Danach fühlte sie sich ein wenig besser, und es gelang ihr sogar, sich aufrecht hinzusetzen.
»Rachel, würdest du Mammy Nor bitte Bescheid sagen, daß sie uns Kaffee kocht und ihn hier serviert?«
»Natürlich«, sagte Rachel.
Als das junge Mädchen den Raum verlassen hatte, strich Rhiannon mit gesenktem Blick ihr Kleid glatt und versuchte, das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu bringen. Der Colonel stand immer noch neben ihr und beobachtete sie.
»Sind Ihre Männer draußen, um sie zu finden?« wollte sie dann von ihm wissen.
»Nein.«
Erstaunt sah sie zu ihm hoch. »Und warum nicht...?«
»Sie könnten hier stundenlang das Gelände absuchen. Dabei würden sie wahrscheinlich nur in einen Hinterhalt geraten und abgeknallt. Das wäre ziemlich überflüssig.«
»Wie können Sie sich da so sicher sein?«
»Ich kenne doch meinen Bruder, und der kennt die Gegend hier wie seine Westentasche: jede Straße, jeden Strauch und jedes Rinnsal. Seine Männer sind alle aus Florida. Sie sind wie vom Erdboden verschluckt, und wir bräuchten mehr als ein paar unerfahrene Jungs aus Michigan, um sie hier zu finden.«
Jetzt blickte sie ihn unverwandt an und sagte: »Mal ehrlich, Colonel McKenzie, da Sie nun zufällig in dem Basislager in St. Augustine waren und zufällig auch die Patrouille hierher anführten, könnte es da nicht sein, daß Sie Ihren Bruder absichtlich verpaßt haben?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Mrs. Tremaine, das habe ich nicht.«
Sie runzelte die Stirn und erinnerte sich daran, daß er gesagt hatte, er hätte die Absicht gehabt, ohnehin einmal vorbeizukommen. Als sie ihn danach fragte, zögerte er einen Augenblick mit der Antwort, griff dann in die Tasche seiner Uniformjacke und holte einen Umschlag heraus.
»Es hat ein bißchen gedauert, bis der Brief hier ankam, da der befehlshabende Offizier Ihres verstorbenen Gatten ihn nur jemandem geben wollte, der ihn Ihnen persönlich überreichen würde.«
Wie gebannt starrte sie auf den Umschlag in seiner Hand, und dabei überkam sie wieder dieser Schmerz, der sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete und sie zu lähmen schien, als sei sie von einem Giftpfeil getroffen worden.
»Ich verstehe das nicht. Man hat mir Richards Leichnam fast unmittelbar nach der Schlacht mit der Eisenbahn hergeschickt und mir gesagt, daß ich mich glücklich schätzen könne ... weil nur sehr wenige Tote zu ihren Familien überführt würden«, sagte sie.
»Die Armee versucht ihr Bestes, Mrs. Tremaine ...«
»Aber es gibt einfach zu viele Tote, nicht wahr?« Rhiannons Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Der Leichnam Ihres Mannes konnte problemlos identifiziert werden, und man hat ihn dann direkt nach der Schlacht hierhergeschickt, Ma'am. Den Brief hier hat man erst später zwischen seinen persönlichen Sachen gefunden. Ihr Mann genoß hohes Ansehen bei den Soldaten, Mrs. Tremaine, und wie ich bereits erwähnt habe, wollte der ihm Vorgesetzte Offizier unbedingt, daß der an Sie adressierte Brief Ihnen auch persönlich übergeben wird, um sicherzugehen, daß er Sie erreicht.«
»Und da Sie einmal in Florida zu Hause waren ...«
»Es ist immer noch mein Zuhause, Mrs. Tremaine. Ich wohne auf einem wunderbaren Anwesen, das gerade außerhalb des Stadtbezirks von Tampa liegt. Meine Eltern leben noch dort, und mein Bruder und meine Schwester halten sich ebenfalls in Florida auf - übrigens ganz in der Nähe Ihres Anwesens. Ich glaube fest, daß das Land eines Tages wieder vereint sein wird und ich hier wieder leben kann. Ich habe immer noch meine Wurzeln hier. Meine Frau, meine Kinder und die Frau eines Vetters mit ihrem Baby leben in St. Augustine.«
»Ich verstehe«, sagte sie und befeuchtete nervös ihre Lippen. Einerseits hätte
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