Sieg des Herzens
ist so kalt.«
»Ich halte Sie warm.«
»Nein, Sie sind der Feind, bitte...«
»Da haben Sie verdammt recht. Und was für ein Feind ich für Sie bin!«
»Bitte, geben Sie mir etwas, lassen Sie mich den Entzug allmählich machen. Bestimmt ist...«
»Rhiannon, diese Nacht ist furchtbar. Auch danach wird es Ihnen noch oft sehr schlechtgehen; aber aller Anfang ist schwer. Ich helfe Ihnen, ich bringe Sie da durch.«
»Ich glaube, ich muß sterben«, sagte sie und schloß die Augen.
»Nein, das glaube ich nicht, und das würde ich auch nicht zulassen.«
»Bitte ...«
Er war sich nicht ganz sicher, was sie mit ihrem »bitte« gemeint hatte - daß er sie sterben lassen oder ihr etwas geben sollte, damit die Schmerzen nachließen. Aber das wür-de er nicht tun. Er konnte ihr nur dabei helfen, diese Nacht so gut wie möglich zu überstehen. Als ihr Zittern immer schlimmer wurde, drückte er sie noch fester an sich, barg ihren Kopf an seiner Brust und sagte ihr wieder und wieder, daß sie es schaffen würde; daß sie stark genug sei, sie es aushalten könne und würde ... Irgendwann schlief sie dann für einen Moment ein, bis ein neuer Anfall sie überkam. Wieder wiegte er sie in den Armen wie ein kleines Kind und sprach beruhigend auf sie ein. Schließlich hörte das Zittern auf. Er strich ihr mit dem Handrücken über die Wange, und es schien ihm, als käme schon wieder etwas Farbe in ihr Gesicht. Sie bewegte sich ein wenig in seinen Armen, und es sah tatsächlich so aus, als hätte sie das Schlimmste überstanden.
Langsam öffnete sie die Augen und sah zu ihm hoch, bevor sie leise fragte: »Warum ... tun Sie das ... für mich?«
»Für Sie?«
Sie sah ihn eine Zeitlang unverwandt an, um dann zu bestätigen: »Ja, für mich.«
Er lächelte ein wenig unentschlossen, da er sich selbst nicht sicher war, warum er das tat. Immerhin war sie der Feind. Aber sie war etwas Besonderes - eine Hexe! Und sie hatte eine Gabe, die ihm sehr nützlich sein konnte. Aber da war noch mehr.
Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, zögerte dann aber, während ein winziges Lächeln um seinen Mund spielte. Er hätte ihr sagen können, daß sie einfach zu schön war, um sie sterben zu lassen, und daß er ihr schon zu nah gekommen war, um sie einfach wieder so gehen zu lassen. Aber dann besann er sich eines Besseren. Sie durchlebte jetzt eine schwere Zeit. Es hätte im Augenblick zu nichts geführt, sie mit der Wahrheit zu konfrontieren.
»Warum?« wiederholte sie leise ihre Frage.
Er verbot sich jedwede spitze Bemerkung und sagte nur: »Weil ich Arzt bin. Ich kann nicht zulassen, daß irgend jemand, ob nun Mann oder Frau, Soldat oder Zivilist, sein Leben einfach so wegwirft.«
»Aber, ich lag doch nicht im Sterben...«
»Doch, Sie waren auf dem besten Weg dahin.«
Sie schloß die Augen und fügte in sanftem Ton hinzu: »Wissen Sie, ich hasse euch Rebellen!«
»Nun, ich denke, da sind Sie nicht die einzige«, entgegnete er ihr, »obwohl ich im Augenblick...«
»Was?«
»Ich hasse diesen Krieg.«
Sie biß die Zähne zusammen und jammerte: »Es fängt schon wieder an. Dieses Zittern, die Kälte...«
»Es geht gleich vorüber. Ich bleibe die ganze Nacht bei Ihnen und halte Sie warm. Versprochen!«
Er sah, wie unter ihren geschlossenen Lidern Tränen hervortraten, und dann sagte sie schluchzend: »Ich will nicht, daß du mich so siehst ... Ich ertrage nicht, daß irgend jemand mich so sieht. Wenn du mir doch nur ein bißchen Morphium geben würdest...«
»Nein.«
»Ich halte es ohne nicht aus.«
»Das mußt du aber.«
Er blieb hart, so leid sie ihm tat. Dann nahm er sie wieder fest in den Arm, wiegte sie wie ein kleines Kind und sprach ihr Mut zu. Als es schon sehr spät in der Nacht war, schlief sie endlich ein. Am Anfang zitterte sie sogar noch im Schlaf, aber als der Morgen graute, ging ihr Atem ruhig und regelmäßig, und ein zartes Rosa überzog ihre Wangen. Sie schlief ganz friedlich, den Kopf an seiner Schulter und eine Hand auf seiner Brust.
Trotzdem war es noch nicht überstanden. Sie würde noch viele schlechte Tage haben, aber das Schlimmste lag hinter ihr.
»Was ist denn mit Rhiannon?«
Julian, der ebenfalls eingenickt war, fuhr entsetzt hoch. Rachel hatte ihn ganz sacht angesprochen, aber es erschreckte ihn zutiefst, daß er schon wieder einmal tief geschlafen hatte und Rachel sich ihm hatte nähern können, ohne daß er etwas bemerkt hatte.
Er war nie wie sein Onkel gezwungen gewesen, allzeit bereit zu
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