Sieg des Herzens
Tremaine. Aber da Sie der Feind sind, ist eine derart bedingungslose Loyalität sicherlich rühmlich.«
»Meine Loyalität ist in der Tat bedingungslos«, entgegnete Rhiannon, »aber nicht blind.« Sie zuckte mit den Schultern, hob das Kinn, sah Julian an und fügte ein wenig boshaft hinzu: »Sie brauchen doch nur mal Ihren Schwager mit Ihrem Ehemann zu vergleichen, Mrs. McKenzie. Der eine sieht total abgerissen aus, der andere nicht.«
»Ich danke Gott«, schaltete sich Julian schnell ein, »daß Sie nicht wieder erwähnt haben, daß mein Bruder auch stärker ist als ich. Er sieht nur kräftiger aus, weil ich ein paar Zentimeter größer bin. Sie finden wirklich, daß ich abgerissen aussehe? Nun, damit kann ich leben.«
Er schien das richtig amüsant zu finden. Auch Alaina gelang es, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Aber dann wandte sie sich doch wieder an Rhiannon: »Es gab eine Zeit, Mrs. Tremaine, da hätten mich Ihre Worte wirklich sehr beleidigt. Aber Sie sind ja nur ehrlich und sagen, was Sie denken. Ich wünsche mir einfach, daß das Kämpfen endlich aufhört, obwohl es nicht so aussieht, als ob das bald der Fall sein würde.«
Darauf erwiderten weder Julian noch Rhiannon etwas, da jetzt noch eine Frau den Weg zum Bach heruntergelaufen kam.
»Julian! Julian!« drang ihr Rufen in die Stille, während sie ohne Umschweife direkt auf Julian zurannte und sich ihm in die Arme warf. Er fing sie auf und wirbelte sie herum, während sie ihn weinend und lachend auf die Wangen küßte. Sie war größer als Alaina, hatte kastanienbraunes Haar, wasserblaue Augen und eine außergewöhnlich reizvolle Gesichtsform.
»O Julian!« rief sie erneut aus, während sie ihren Kopf an seine Brust lehnte. »Er wird es doch schaffen, nicht wahr? Bitte, bitte sag mir, daß er durchkommt...«
»Er hat die Operation sehr gut überstanden, Risa«, war alles, was Julian ihr im Augenblick mit gutem Gewissen sagen konnte.
»Ich könnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren. Ich hatte noch niemals solche Angst, Julian. Wenn er stirbt ...« Ihre Stimme versagte ihr den Dienst, als ihr bewußt wurde, daß Rhiannon auch noch da war. In Risa McKenzies Blick offenbarte sich, daß sie alles über Rhiannon wußte, und ganz besonders die Tatsache, daß ihr Ehemann gefallen war.
Vor Schreck leichenblaß, machte sie sich von Julian los, sah von ihm zu Rhiannon und murmelte entschuldigend: »O Gott, es tut mir so leid. Wie unverzeihlich von mir, so etwas zu sagen, wo ich Ihnen doch eigentlich dafür danken wollte, daß Sie meinem Mann geholfen haben.«
»Es ist schon in Ordnung«, murmelte Rhiannon, die spürte, daß Julian sie beobachtete. »Wirklich«, bestätigte sie zähneknirschend und preßte dann hervor: »Ich ... ich bin mittlerweile nicht mehr der Meinung, daß auch andere Männer sterben sollten, nur weil mein Mann tot ist. Ich bin froh, daß es Ihrem Mann wieder so gutgeht.«
Dankbar und ohne Vorbehalte lächelte Risa sie an, und Rhiannon dachte, daß das das erste Mal war, daß ihr das bei einer dieser McKenzie-Frauen passierte.
Dann kam Risa auf sie zu, ergriff ihre Hand, schüttelte sie heftig und sagte: »Danke ... vielen Dank. Er schläft jetzt... und man hat mir gesagt, daß das Morphium, das es ihm ermöglicht, ein wenig Ruhe zu finden, auch von Ihnen kommt. Das muß für Sie bestimmt alles sehr schwer sein, die reinste Folter. Ehrlich, ich weiß, was Sie durchmachen...«
»Sie ist auch eine Yankee«, erklärte Julian zu Rhiannon gewandt.
»Ihr Vater ist General Magee«, ergänzte Alaina.
»Der General Magee?« fragte Rhiannon.
»Ja, der General Magee«, bestätigte Risa. »Das macht den Krieg noch schlimmer, als er ohnehin schon ist, nicht wahr? Oder noch trauriger.« Als sie den Blick senkte, stellte sie fest, daß sie immer noch Rhiannons Hand hielt, und fuhr fort: »Es ist noch nicht so lange her, da mußten wir Julian nach St. Augustine hineinschmuggeln, damit er den Fuß meines Vaters behandelte - und mein Vater ist ziemlich froh, daß es Julian und auch meinen Ehemann gibt. Wir beten alle nicht nur darum, daß keiner von unserer Familie getötet wird, sondern auch, daß sie sich nicht eines Tages gegenseitig umbringen. Natürlich haben wir immer noch Krieg, und diese Rebellen sind so mißtrauisch! Es war furchtbar, einfach furchtbar. Keiner von ihnen hatte ein gutes Wort für mich, bevor ich endlich einem kleinen McKenzie das Leben schenkte. Und so eine Geburt ist ja nun wirklich kein Vergnügen. Ich hoffe
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