Sieg des Herzens
einen Besuch abzustatten.«
»Natürlich, Miß Sydney, machen Sie sich keine Sorgen, den Männern geht es gut. Wir Yankees wünschten manchmal, daß Sie unseretwegen kämen, aber wir wissen natürlich, daß Sie zu Ihren Landsleuten wollen.«
Sergeant Granger war ein älterer Mann, der sich freiwillig in die Armee gemeldet hatte. Er war schon ziemlich grau und sah ein bißchen abgearbeitet aus, aber er war bestimmt ein guter Ehemann und Vater; einer von denen, die ihr hin und wieder ins Bewußtsein riefen, daß sie in diesem Krieg gegen ihre ehemaligen Bundesgenossen kämpften. Aber obwohl ihr Granger irgendwie sympathisch war und auch einige der anderen Yankees, die sie in der Bundeshauptstadt kennengelernt hatte, ging ihre Zuneigung für sie doch nicht so weit, als daß sie nicht alles in ihrer Macht Liegende tat, um ihren Jungs aus dem Süden zu helfen, die Freiheit wiederzuerlangen und nach Hause zurückzukehren. Gleiches galt für die Beförderung wichtiger Nachrichten, zu welcher Tages- und Nachtzeit und welchem Bestimmungsort auch immer.
Sydney war anfänglich in den Norden gegangen, um dabei zu helfen, ihren Bruder Jerome zu befreien, als der sich im Alten Kapitol in Kriegsgefangenschaft befunden hatte. Er sollte ursprünglich gegen einen gewissen Captain Jesse Halston ausgetauscht werden, einen schneidigen jungen Kavalleristen der Union, der im Süden verwundet und gefangengenommen worden war. Sydney war seine Krankenschwester gewesen, als er im Krankenhaus von Richmond gelegen hatte. Er war ein wichtiger Gefangener, einer, bei dem der Süden ganz sicher sein konnte, daß man einen eigenen Offizier gegen ihn eintauschen konnte, der der konföderierten Sache besonders gut diente.
Aber der Austausch war immer wieder verschoben worden, was hauptsächlich an Jeromes Schwiegervater, dem Unionsgeneral Magee, gelegen hatte. Der war nämlich der Meinung gewesen, daß sein Schwiegersohn größere Chancen hätte, den Krieg zu überleben, wenn er im Gefängnis blieb. Obwohl sich der Norden beharrlich geweigert hatte, ihren Bruder auszutauschen, war Jesse Halston schließlich gegen einen konföderierten General freigekommen. Jesse war ein vorbildlicher Patient gewesen, sah gut aus und war ein unbekümmerter, wagemutiger junger Mann. Sydney und er hatten bald Freundschaft geschlossen, zumal sie zusammen nach Washington gereist waren und sich dort auch öfter trafen.
Ihr freundschaftliches Verhältnis hatte allerdings sehr gelitten, als er sie davon abhielt, mit Jerome zu fliehen. Der war nämlich fest entschlossen gewesen, das Gefängnis in jedem Fall zu verlassen, und da es auf dem regulären Weg nicht funktionierte, hatte er eben einen anderen gewählt und war dabei ganz raffiniert vorgegangen. Als die musikalisch veranlagte Großmutter eines anderen Gefangenen ihren Enkel mit ein paar Freundinnen - durch die Bank von Sydney ausgewählte Südstaatensympathisantinnen - besucht hatte, konnten einige der Männer als Mitglieder des irischen Frauenchors verkleidet aus dem Gefängnis entkommen.
Aber Jesse hatte von dem Plan erfahren, und als die Konföderierten gerade dabei waren zu fliehen, war er zu Sydney gegangen und hatte ihr gedroht, die ganze Sache auffliegen zu lassen, wenn sie Vorhaben sollte, ihren Bruder zu begleiten. Er war unnachgiebig geblieben, und Sydney mußte Jerome eine richtige Komödie Vorspielen, um ihn glauben zu machen, daß sie von Anfang an vorgehabt hätte, in Washington zu bleiben.
Natürlich war sich auch Jerome bewußt gewesen, daß es für Sydney gefährlich werden könnte, mit ihm zu reisen. Und da er Jesse Halston noch von einem Besuch im Krankenhaus in Richmond kannte, bei dem Sydney die beiden einander vorgestellt hatte, glaubte er ihr die Geschichte. Letztlich war er sogar erleichtert, daß sie dadurch außer Gefahr war.
Unmittelbar danach hatte sich Jesse mit ihr im Salon des schmucken Washingtoner Stadthäuschens, das er von seinem Vater geerbt hatte, eingeschlossen, um zu verhindern, daß sie ihrem Bruder nachjagte. Obwohl er ihr erklärt hatte, daß es nur zu ihrem Besten sei, damit sie nicht mit einer Kugel im Kopf endete, hatte sie ihn eine halbe Ewigkeit wütend angeschwiegen und war schließlich auf dem Sofa eingeschlafen. Nach all der Aufregung war sie so erschöpft gewesen, daß sie zehn Stunden durchschlief. Aber als sie erwachte, saß er immer noch da und beobachtete sie.
»Sie können mich Präsident Lincoln höchstpersönlich ausliefern, das ist mir völlig egal«,
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